Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Stimmrechten bei Treuhandverhältnis und "acting in concert"
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Treuhandverhältnis sind gem. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG die Stimmrechte des treuhänderisch gehaltenen Aktienanteils sowohl dem Treugeber als auch dem Treuhänder zuzurechnen, so dass auch für Beide unter den Voraussetzungen des § 21 WpHG eine Meldepflicht besteht.
2. Bei einer gleichzeitigen Beteiligung des Treugebers an einem "acting in concert" besteht - neben dem Treugeber - auch für den Treuhänder nach §§ 21 Abs. 1 S. 1; 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 WpHG eine Meldepflicht auch hinsichtlich der dem Treugeber über § 22 Abs. 2 WpHG zugerechneten Stimmrechte aller am "acting in concert" Beteiligter.
Normenkette
WpHG § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.01.2009; Aktenzeichen 5 HK O 16785/08) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers zu 3) gegen das Endurteil des LG München I vom 29.1.2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger zu 3) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger zu 3) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger zu 3) und die Beklagte streiten mittels Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage um die Wirksamkeit mehrerer Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten.
Die Beklagte - eine börsennotierte Aktiengesellschaft aus der IT-Branche mit einem in 4.130.633 Stückaktien eingeteilten Grundkapital von 4.130.633 EUR veröffentlichte am 18.7.2008 im elektronischen Bundesanzeiger die Einladung zu ihrer Hauptversammlung für den 26.8.2008.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Bekanntmachung wird auf die Feststellungen des LG sowie auf Anlage K 2 aus dem hinzuverbundenen Verfahren 5 HKO 16857/08 Bezug genommen.
Der Kläger zu 3) hielt als Treuhänder 52.262 Aktien für Herrn Leo V. als Treugeber. Herr Leo V. sowie die Aktionäre Dr. Thomas G. und Sabine G. hatten ihr Verhalten abgestimmt. Der Kläger zu 3) versandte am 4.7.2008 an die Beklagte wie auch an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (nachfolgend BaFin genannt) eine Stimmrechtsmitteilung gem. § 21 WpHG, wonach ihm direkt 52.262 Aktien zustehen und weitere 186.830 Aktien gem. § 22 Abs. 2 WpHG zugerechnet wurden (Anlage B 1). Herr Leo V. selbst meldete der Beklagten ebenfalls am 4.7.2008 (Anlage B 2) die Überschreitung von 3 % und 5 % der Meldeschwelle dergestalt, dass ihm direkt null Aktien zustehen und weitere 52.262 Aktien gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet würden. Ebenfalls am 4.7.2008 meldeten Herr Dr. Thomas G. und Frau Sabine G. jeweils das Überschreiten von Schwellenwerten (Anlage B 3, B 4). Am 7.7.2008 übermittelte der Kläger zu 3) der Beklagten eine Korrekturstimmrechtsmitteilung, wonach er erläuterte, dass er die Anteile treuhänderisch für Herrn Leo V. halte (Anlage B 5). Herr Leo V. übermittelte der Beklagten am 9.7.2008 ein an die BaFin gerichtetes Telefax (Anlage B 8), in dem Folgendes ausgeführt wurde: "Sehr geehrte Frau B., hiermit werden die Meldungen für Herrn Peter E. gem. §§ 21, 22 WpHG vom 4.7.2008 und vom 7.7.2008 (Korrektur der Meldung vom 4.7.2008) hinsichtlich seiner Stimmrechte an der TR. AG zurückgenommen.
Die korrigierten Meldungen erhalten Sie hiermit beiliegend."
Nach den ersten Meldungen vom 4.7.2008 übermittelten sowohl die Eheleute Dr. Thomas und Sabine G. sowie auch Herr V. weitere Korrekturmitteilungen am 7.7., 9.7. und 10.7.2008. Zuletzt erhielt die Beklagte folgenden Stand übermittelt:
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direkt |
zugerechnet |
durch wen |
Zurechnungnorm nach WpHG |
Dr. Thomas G. |
93.411 |
93.410 |
Ehefrau |
§ 22 Abs. 2 |
Sabine G. |
93.410 |
93.411 |
Ehemann |
§ 22 Abs. 2 |
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52.262 |
E. |
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Leo V. |
0 |
52.262 |
E. |
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 |
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93.410 |
Hr. G. |
§ 22 Abs. 2 |
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93.311 |
Fr. G. |
§ 22 Abs. 2 |
Peter E. |
0 |
0 |
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Hinsichtlich der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse wird auf die landgerichtlichen Feststellungen und Anlage K 3 Bezug genommen.
Der Kläger erhob Anfechtungsklage, hilfsweise Nichtigkeitsklage zu den in der Hauptversammlung gefassten Beschlüssen zu den Tagesordnungspunkten 2, 3, 4, 5, 6 und 7.
Das LG hat die Klage des Klägers zu 3) als unbegründet abgewiesen.
Es hat zur Begründung ausgeführt, dem Kläger zu 3) fehle die Anfechtungsbefugnis aus § 245 Nr. 1 AktG. Dies ergebe sich aus der Vorschrift des § 28 WpHG, weil der Kläger zu 3) seinen Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Der Kläger zu 3) sei unstreitig Treuhänder von 52.262 Aktien gewesen, deren Treugeber Herr Leo V. war, der wiederum in einem "acting in concert" mit den Eheleuten Dr. Thomas und Sabine G. verbunden war, so dass § 22 Abs. 2 WpHG eingreife. Da dem Kläger zu 3) das Verhalten seines Treugebers Leo V. zugerechnet werd...