Leitsatz (amtlich)
1. Lizenzverträge, die mit Nutzern geschlossen wurden, an die der Rechteinhaber wegen einer entsprechenden Nutzung ohne Lizenzierung herangetreten war, sind nicht geeignet, Rückschlüsse auf die Höhe des unter gewöhnlichen Umständen angemessenen Lizenzbetrags zu gestatten.
a) Bei Verhandlungen über solche Verträge kann der Rechteinhaber mit der Geltendmachung der ihm aus der vorangegangenen Urheberrechtsverletzung erwachsenen Ansprüche drohen und hat deshalb eine erheblich stärkere Position als bei gewöhnlichen Verhandlungen.
b) Die Freiwilligkeit des Abschlusses eines solchen Vertrags ist für die Frage der Durchsetzung eines Vergütungsmodells auf dem Markt ohne Belang. Wer als Verletzer einen Lizenzvertrag abschließt, um der Geltendmachung von Ansprüchen wegen der Verletzung zu entgehen, handelt zwar freiwillig, erbringt aber die Lizenzzahlungen nicht nur für die künftige Nutzung des lizenzierten Werks, sondern auch dafür, dass der Lizenzgeber auf die Geltendmachung von Verletzungsansprüchen verzichtet. Damit ist ein derartiger Vertragsschluss ungeeignet, den objektiven Wert der bloßen Nutzung - ohne Verzicht auf davon unabhängige Ansprüche - zu belegen, wie ihn vernünftige Vertragspartner bemessen würden und wie er für die Schadensbemessung nach der Lizenzanalogie heranzuziehen ist.
2. Für die Frage danach, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten, ist nicht auf die teuerste Lizenzmöglichkeit abzustellen, die Nutzungen wie die Verletzungshandlung neben anderen - nicht streiterheblichen - mitumfasst, sondern auf eine marktgerechte Bewertung der tatsächlich vorgenommenen Nutzung.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 21 O 5904/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 20. Oktober 2017 dahin abgeändert, dass es lautet wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.473,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. Dezember 2013 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 3/5 und die Beklagte 2/5 zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in der Fassung der Ziffer I. sind vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Im Umfang der Klageabweisung wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin bietet das Recht zur Nutzung von Stadtplänen, an denen sie die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte hält, gegen die Zahlung von Lizenzgebühren an. Für die kommerzielle Onlinenutzung sehen ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Anlage K 2) unter anderem folgende Regelung vor:
§ 4.1.2.1.2 Kommerzieller Onlinelizenzvertrag unbefristet
1. Die Nutzung für Unternehmer [...] ist zeitlich unbefristet.
2. Die Lizenzgebühr für die vereinbarte kommerzielle Nutzung (einfache Nutzungslizenz) beträgt für eine Kartenfläche unter einer URL:
Kartengröße Lizenzgebühr zzgl. gesetzl. MwSt.
bis DIN A6 820,00 EUR
größer DIN A6 bis A5 1.220,00 EUR
größer DIN A5 bis A4 1.620,00 EUR
größer DIN A4 bis A3 2.020,00 EUR
[...]
4. Für Ausschnitte, die nicht schnittgleich mit den DIN Formaten sind, berechnet sich die vergütungspflichtige Fläche nach der nächstgrößeren DIN Fläche ( ≫ DIN A5 = DIN A4) wobei die Berechnungsgrundlage immer die Originalgröße des Kartenausschnitts aus dem Stadtplandienst mit 72 dpi Auflösung ist. Das DIN-Format ist nicht zwingend, der Flächeninhalt ist entscheidend (s. Tabelle).
Kartengröße in cm in Pixel Flächeninhalt in Pixel
bis DIN A6 14,8 × 10,5 420 × 298 125.160
größer DIN A6 bis A5 21.0 × 14,8 595 × 420 249.900
größer DIN A5 bis A4 29,7 × 21.0 842 × 595 500.900
größer DIN A4 bis A3 42,0 × 29,7 1191 × 842 1.002.822
5. Der Ausschnitt darf zusätzlich in einer PDF-Datei auf der eigenen Webseite zum Download angeboten werden.
[...]
8. Der Lizenznehmer erhält das Recht, den lizenzierten Kartenausschnitt bei einer Aktualisierung durch den Lizenzgeber gegen einen aktuellen Kartenausschnitt auszutauschen.
9. Bei einem Umzug hat der Lizenznehmer das Recht, einen Kartenausschnitt für den neuen Standort zu erhalten. [...]
[...]
§ 4.1.2.3.1 Verlinken zu einer Karte aus dem Stadtplandienst
Will ein Lizenznehmer zu einem Kartenausschnitt aus dem Angebot des stadtplandienst.de [v]erlinken, wird eine Webseite speziell für den Lizenznehmer generiert und liegt nur auf dem Server des Stadtplandienstes. Auf diese Webseite kann der Lizenznehmer anschließend verlinken.
§ 4.1.2.3.1 [sic!] Kostenpflichtige kommerzielle Nutzung für Unternehmer [...]
Dem Lizenznehmer stehen für di...