Entscheidungsstichwort (Thema)

Affiliate-Werbung auf jugendgefährdenden Internetseiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschreibung eines Verbots in einem Unterlassungsantrag durch Bezugnahme auf einen Straftatbestand kann dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen, da Strafvorschriften dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügen müssen.

2. Ist für ein Unternehmen, das im Rahmen eines Affiliate-Programms im Internet werben will, klar erkennbar, dass Inhalte der für seine Werbung vorgesehenen Internetseiten dauerhaft und in erheblichem Ausmaß jugendgefährdend sind, so trifft es eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, seine Werbung auf diesen Seiten zu verhindern.

3. Kann sich das Unternehmen die gebotenen Einflussnahmemöglichkeiten auf die Affiliates nicht im Rahmen seines Werbevertrags verschaffen, so obliegt es ihm, die von ihm hervorgerufene Gefahr der wettbewerbswidrigen Werbung durch Kündigung des Werbevertrags zu beseitigen.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 2; UWG § 3; JMStV § 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.05.2008; Aktenzeichen 9 HK O 4408/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG München I vom 13.5.2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

A. Der Antragsteller ist ein Interessenverband des Videofachhandels, dem mehr als 1.400 Videothekare aus dem gesamten Bundesgebiet angehören, die in etwa 3.400 Fachgeschäften gewerblich Videospielfilme und andere Medienträger zum Verkauf und zur Vermietung anbieten. Zu den satzungsmäßigen Zwecken des Antragstellers zählt auch die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder.

Die Antragsgegnerin, eine in Deutschland ansässige Limited-Gesellschaft, vermittelt Zugang zum Usenet. Für die Bewerbung ihres Angebots bedient sie sich des sog. Affiliate-Marketings. Bei diesem Werbemodell setzt ein Unternehmen, das im Internet werben will (der Merchant), seine Werbung nicht selbst, sondern beteiligt sich an einem Online-Netzwerk, für das sich Partner anmelden können, die an der Übernahme der Werbung interessiert sind (sog. Affiliates). Die Antragsgegnerin trat nicht selbst mit Affiliates in Kontakt; vielmehr bediente sie sich hierfür eines Vermittlers, der G. GmbH. Die Affiliates standen nicht zur Antragsgegnerin, sondern lediglich zum Vermittler in vertraglicher Beziehung. Weder die Antragsgegnerin noch der Vermittler hatten die Möglichkeit, die Auswahl der Internetseiten zu beeinflussen, auf denen die Werbung für die Antragsgegnerin erscheinen sollte. Es war ihnen auch nicht möglich, die Werbung enthaltenden Seiten systematisch zu überprüfen.

Der Antragsteller stellte auf der Internetseite www. p.. de Werbung für die von der Antragsgegnerin angebotenen Download-Möglichkeiten fest. Bei dieser Internetseite handelt es sich um eine deutschsprachige Tauschbörse, über die ohne Zugangsbeschränkung Filme zum Herunterladen abrufbar sind; dabei handelt es sich nahezu ausschließlich um Raubkopien, aber auch um von der Bundesprüfstelle indizierte, wegen Gewaltdarstellung beschlagnahmte sowie pornografische Filme.

Mit Schreiben vom 13.2.2008 (vgl. Anlage A 2) mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin deshalb ab und forderte sie auf, es künftig zu unterlassen, auf der Internetseite www. p. de oder auf Seiten, die ein entsprechendes oder ähnliches Angebot zur Verfügung stellten, Werbung zu schalten oder einbinden zu lassen. Die Antragsgegnerin antwortete darauf nicht, veranlasste jedoch, dass die Werbung auf der Internetseite www.p.de beseitigt wurde, und forderte ihren Vermittler auf, die Affiliates darauf hinzuweisen, die Schaltung von Werbung mit rechtsverletzenden Inhalten zu unterlassen. Dieser richtete am 22.2.2008 ein Schreiben folgenden Inhalts an die Affiliates (vgl. Anlage B 7):

Sehr geehrter Affiliate-Partner, wir freuen uns sehr über die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ihnen. Um auch in Zukunft gemeinsam erfolgreich am Markt auftreten zu können, bitten wir Sie, die Websites zu überprüfen, auf denen Sie Werbung für eines der von uns vermarkteten Produkte eingebunden haben.

Auf Grund einer gegen uns ergangenen Abmahnung möchten wir Sie eindringlich auf Folgendes hinweisen:

Sollten die Inhalte Ihrer Websites gegen das geltende Recht verstoßen, insbesondere gegen das Urheber- und Jugendschutzrecht, so bitten wir Sie, Ihre Websites unverzüglich gemäß dem geltenden Recht umzugestalten. Andernfalls fordern wir Sie auf, unsere Werbung unverzüglich zu entfernen.

Bitte bedenken Sie, dass Sie sonst Gefahr laufen, für diese Rechtsverletzungen belangt zu werden. Rechtsverletzungen im Bereich des Urheber- und Jugendschutzrechts sind kein Kavaliersdelikt!

Da uns nicht bekannt ist, auf welchen Websites Sie unsere Werbung eingebunden haben, und sich die Gestaltung Ihrer Websites laufend ändert, ist es uns leider nicht möglich, nur solche Partner anzuschreiben, deren Websites möglicherweise gegen das geltende Recht verstoßen.

Sollten a...

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