Leitsatz (amtlich)
1. Das verfahrenseinleitende Schriftstück i.S.d. Art. 34 Ziff. 2 EuGVVO kann auch dann "rechtzeitig" zugestellt worden sein, wenn die versuchte Zustellung deswegen nicht zu bewirken war, weil der Aufenthalt der Beklagten - aus von ihr zu vertretenden Gründen - unbekannt war.
2. Wenn die Beklagte ihren Sitz innerhalb eines Ortes unter einer mit der alten Anschrift in hohem Maße verwechslungsfähigen neuen Anschrift verlegt, muss sie durch geeignete Maßnahmen, etwa einen Postnachsendeauftrag sicherstellen, dass sie Zustellungen unter der neuen Anschrift erreichen.
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 13.02.2007; Aktenzeichen 2 O 82/07) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des LG Deggendorf vom 13.2.2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Auf Antrag der Beschwerdegegnerin hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des LG Deggendorf mit Beschluss vom 13.2.2007 angeordnet, dass die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Beschluss des AG K, Az. 15. G. 22.087/2005/11 vom 26.4.2006 zugelassen wird und mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die vollstreckbare Verpflichtung dieses Titels lautet: "Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin 19.241,41 EUR nebst 2 % Verzugszinsen seit dem 7.9.2005 sowie die Prozesskosten von 594.000 HUF zu bezahlen". Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf diese Entscheidung (Blatt 3/5 d.A.) Bezug genommen. Die daraufhin am 26.2.2007 von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erteilte Vollstreckungsklausel wurde zusammen mit dem Beschluss vom 13.2.2007 nebst einer beglaubigten Abschrift des Schuldtitels der Antragsgegnerin am 20.2.2007 zugestellt. Sie hat gegen den Beschluss vom 13.2.2007 mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 6.3.2007, eingegangen am 7.3.2007 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Antrag auf Vollstreckbarerklärung habe zumindest zugestellt werden müssen. Dies sei unstreitig nicht erfolgt Auch sei dem Beklagten das ungarische Versäumnisurteil zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden. Dieses sei aller Voraussicht nach der zwischenzeitlich ausgegründeten Firma K.. GmbH in G ..., B ..., zugestellt worden. An dieser Firma sei der Geschäftsführer der Beklagten weder beteiligt noch geschäftsführend tätig. Die K ... GmbH sei nicht Rechtsnachfolgerin der Antragsgegnerin. Diese beabsichtige gegen das Versäumnisurteil Einspruch einzulegen. Die Antragstellerin möge das Versäumnisurteil ordnungsgemäß zustellen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 6.4.2007 (Blatt 7/9 d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26.9.2007 (Bl. 22/23 d.A.) Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 27.3.2007 Stellung genommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Blatt 10 d.A. Bezug genommen.
II.1. Auf den vorliegenden Fall findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (im Folgenden EuGVVO) Anwendung da diese am 1.3.2002 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 66 I, 76 EuGVVO) und die für vollstreckbar zu erklärende Entscheidung am 26.4.2006 und damit nach diesem Zeitpunkt erlassen worden ist.
2. Die gem. § 43 Abs. 1, 2 EuGVVO statthafte Beschwerde wurde innerhalb der in Art. 43 Abs. 5 Satz 1 EuGVVO vorgesehenen einmonatigen Beschwerdefrist frist- und formgerecht eingelegt.
3. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin hat keine Anerkennungshindernisse i.S.v. Art. 34, 35 EuGVVO nachgewiesen, dies gilt insbesondere auch für das Anerkennungshindernis des Art. 34 Ziff. 2 EuGVVO. Sie macht zwar geltend, die Ladung sei an den alten Geschäftssitz der KG in der G. straße 7 in B. zugestellt worden unter der jetzt die K. GmbH ihrer Sitz habe und nicht an die neue Anschrift in G. 7 in B. Dies genügt im vorliegenden Fall jedoch nicht, um ein Anerkennungshindernis i.S.v. Art. 34 Ziff. 2 EuGVVO darzulegen. Aus der mit der Beschwerde vom 6.3.2007 vorgelegten Korrespondenz mit dem in Ungarn mandatierten Prozessbevollmächtigten ergibt sich, dass die Antragsgegnerin jedenfalls Kenntnis von dem in Ungarn anhängigen gerichtlichen Verfahren hatte. Wann sie diese Kenntnis erlangt hat, gibt sie nicht an. Sollte sie diese Kenntnis infolge der Verlegung ihres Sitzes innerhalb von B. erst verspätet erlangt haben, wäre ihr dies zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann das verfahrenseinleitende Schriftstück auch dann "rechtzeitig" zugestellt worden sein, wenn die versuchte Zustellung deswegen nicht zu bewirken war, weil der Aufenthalt des Beklagten - aus von ihm zu vertretenden Gründen - unbekannt war. Rechtliches Gehör wird dem Beklagten bereits dann gewährt, wenn für ihn normalerweise die Möglichkeit bestand, sich zu verteidigen. Insoweit sind alle Umstände des Falles abzuwägen. Insbesondere kann regelmäß...