Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch wegen Transportschäden bei unklarem Auftraggeber
Leitsatz (amtlich)
1. Auf einen Transport von Ware aus China nach Deutschland findet das Montrealer Übereinkommen vorrangig Anwendung, soweit entweder feststeht, dass der geltend gemachte Schaden auf dem Lufttransport eingetreten ist oder der Schadensort unklar bleibt; soweit hingegen feststeht, dass der behauptete Schaden nur auf dem Landweg während des Lkw-Transports in Deutschland eingetreten sein kann, bleibt es bei der Anwendung ausschließlich deutschen Rechts.
2. Stellt der Frachtführer einem anderen Unternehmen einen bestimmten Transport in Rechnung, stellt dies ein gewisses Indiz dafür dar, dass es zwischen ihm und dem Unternehmen einen Vertragsschluss über den Transport gegeben haben könnte; im Falle der Geltendmachung von Transportschäden durch den "Auftraggeber" genügt dies aber weder als Beweis eines entsprechenden Vertragsschlusses noch als ausreichendes Dokument, um dem Frachtführer die Darlegungs- und Beweislast für das Gegenteil aufzubürden.
3. Sofern ein Frachtführer mit einem Dritten einen Rahmenvertrag geschlossen hat, in dem er diesem u.a. Sondertarife für den "Empfang von Paketen" gewährt, kann dies zum Abschluss eines Frachtvertrags mit dem Dritten führen, wenn ein Vierter dem Frachtführer auftragsgemäß ("Routing-Order") das Gut unter Berufung auf den Rahmenvertrag übergibt.
Normenkette
EuGVVO Art. 4 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1; HGB §§ 407, 425 Abs. 1, §§ 429, 435, 452, 452a, 453, 459, 460 Abs. 2, § 461 Abs. 2; MÜ Art. 11, 18, 33, 45; ZPO § 156 Abs. 2, § 256 Abs. 2, § 261 Abs. 2, §§ 296a, 297
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 13.01.2017; Aktenzeichen 1 HK O 242/15) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut, 1 HK O 242/15, vom 13.01.2017 in der mit Beschluss vom 11.08.2017 berichtigten Fassung, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen Transportschäden geltend.
Die Klägerin ist Versicherer der E. Holding GmbH, die E. Automotive H. GmbH mitversichertes Unternehmen.
Die E. Automotive H. GmbH erwarb bei der I. Motoren GmbH, B., Motoren für die Heckklappen von Kraftfahrzeugen. Hergestellt wurden die Motoren von der I. Electric Works Ltd. Hongkong. Insgesamt fünf Paletten mit diesen Motoren wurden Anfang November 2013 von Hongkong per Luftfracht zum Flughafen Stuttgart und von dort zur Empfängerin, der IMS G. GmbH in E., Deutschland, transportiert. Nachdem dort Beschädigungen an einigen der Paletten festgestellt wurden, erfolgte ein Weitertransport jedenfalls einiger Paletten zur Schadensbegutachtung zur Firma I. Motoren GmbH in B.
Die Beklagte stellte der Klägerin Frachtkosten in Höhe von 6.339,88 Euro in Rechnung (Anlage BLD 2).
Die Klägerin behauptet, die E. Automotive H. GmbH habe die Beklagte mit dem Transport der Motoren von Hongkong zur Fa. IMS G. GmbH beauftragt. Insgesamt seien vier Paletten während dieses Transports beschädigt worden, eine davon sei bei Ablieferung auf dem Kopf gestanden. Die Motoren aus dieser Palette seien insgesamt nicht mehr verwendbar. Aus weiteren drei Paletten seien 62 Motoren beschädigt.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 31.10.2016 (Bl. 209 ff d.A.) hat die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz als weiteren Schaden Wiegegelder in Höhe von 75,32 Euro geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 31.03.2017 hat die Klägerin die Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung und die Vernehmung der Zeugin M., deren Adresse die Klägerin nunmehr herausgefunden habe, beantragt (Schriftsatz vom 31.03.2017, S. 2, Bl. 237 d.A.).
Die Klägerin hat in erster Instanz - ohne Berücksichtigung der Wiegegelder - beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.324,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.03.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltsgebührenforderungen der Rechtsanwälte BLD B. L. D. Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, ..., in Höhe von 1.171,67 Euro freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, der Übergang der Ansprüche der E. Automotive H. GmbH auf die Klägerin sei nicht nachgewiesen. Zudem sei die Beklagte nicht passivlegitimiert, da der Frachtauftrag jedenfalls nicht ihr erteilt worden sei. Für eine etwaige Beschädigung der Motoren, die sie bestreite, hafte sie jedenfalls nicht.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat die mündliche Verhandlung nicht wiederöffnet und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die E. Automotive H. GmbH die Beklagte beauftragt habe. Ein schriftlicher...