Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel, nach welcher der Kunde ohne weitere Voraussetzungen für die Vergütung aller unter seiner (nicht gesperrten) persönlichen Geheimzahl bestellten Leistungen haftet, ist mit wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung des Vertretungsrechts nicht vereinbar und deshalb gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
2. Eine Klausel, nach welcher der Kunde eine Vertragsstrafe zu zahlen hat, wenn er bei Einziehung der von ihm geschuldeten Vergütung im Banklastschriftverfahren den Verwender schuldhaft nicht fristgerecht über die mangelnde Deckung seines Girokontos informiert und die Lastschrift nicht eingelöst wird, stellt eine Schadenspauschalierung dar, die gemäß § 309 Nr. 5 BGB unwirksam ist, wenn sie dem Kunden den Nachweis nicht gestattet, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale.
Normenkette
BGB §§ 307, 309 Nrn. 5-6, § 306a
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 28.05.2015; Aktenzeichen 12 O 2205/15) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 28.5.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des LG München I sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Beklagte bietet gegen Entgelt verschlüsselte Fernsehprogramme an. Sie stellt ihren Kunden ein vereinbartes Programmangebot sowie den Zugang zu Zusatzdiensten nach Maßgabe ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verfügung, die folgende Klauseln enthalten:
3.2 Die Gebühren für die abgerufenen Zusatzdienste, insbesondere S. Select Programme, kostenpflichtige S. Anytime Inhalte sowie 18+ Inhalte oder "Spartickets" werden zum Bestellzeitpunkt des jeweiligen Angebots zahlbar. Soweit die Zahlung im Banklastschriftverfahren gemäß Ziffer 3.3 erfolgt, gelten die dort getroffenen Regelungen, soweit sie abweichen. Der Kunde haftet in voller Höhe für die Vergütung der Zusatzdienste bzw. "Spartickets" die unter seiner persönlichen Geheimzahl ("S. PIN" bzw. unter seiner 18+ PIN bestellt wurden, solange er diese nicht gesperrt hat. Bei telefonischer Bestellung der Zusatzdienste ist [die Beklagte] berechtigt für den Bestellvorgang Gebühren zu berechnen (maximal EUR 0,40 inkl. Mehrwertsteuer pro Minute).
3.4 Der Kunde verpflichtet sich zur Vermeidung zusätzlichen Arbeitsaufwands bei [der Beklagten], [die Beklagte] mit einer Frist von mindestens drei Werktagen (Zugang bei [der Beklagten]) vor Beginn des Kalendermonats, für den ein Lastschrifteinzug vereinbart war, per Brief, Fax oder E-Mail unter Angabe seiner Vertragsnummer zu informieren, wenn eine Abbuchung im Lastschriftverfahren innerhalb des in Ziffer 3.3 festgelegten Abbuchungszeitraums vom [der Beklagten] angegebenen Bankkonto aufgrund mangelnder Deckung aus anderen Gründen nicht möglich ist. Der Kunde veranlasst in diesem Fall selbst die Begleichung der fälligen Zahlungen unter Angabe seiner Vertragsnummer spätestens bis zum Ende des achten Werktags des Kalendermonats, für den der Lastschrifteinzug vereinbart war. Informiert der Kunde [die Beklagte] schuldhaft nicht fristgerecht und wird die Lastschrift nicht eingelöst, zahlt der Kunde [der Beklagten] eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 10,00. Soweit [die Beklagte] aus demselben Sachverhalt einen Schadensersatzanspruch geltend macht, ist die vereinbarte Vertragsstrafe auf diesen Anspruch anzurechnen.
Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verband, erachtet die fett gedruckten Teile dieser Klauseln als unwirksam und hat nach erfolgloser Abmahnung mit seiner Klage, welcher die Beklagte entgegengetreten ist, Ansprüche auf Unterlassung, die beanstandeten oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingung einzubeziehen oder sich bei der Abwicklung von Verträgen darauf zu berufen, und Erstattung seiner pauschalierten Abmahnkosten in Höhe von 214,- EUR nebst Zinsen geltend gemacht.
Mit Urteil vom 28.5.2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2015 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Zu Recht hat das LG die beanstandete Klausel in Ziffer 3.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten als unwirksam angesehen, nach welcher der Kunde für die Vergütung der Zusatzdienste hafte, die unter seinen Geheimzahlen bestellt wurden, solange er diese nicht gesperrt hat.
a) Zutreffend hat das LG die beanstandete Klausel in Ziffer 3.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten dahin verstanden, da...