Entscheidungsstichwort (Thema)
Joghurt kein Arzneimittel
Leitsatz (amtlich)
1. Ein mit Melisse und Johanniskraut „angereicherter” Joghurt ist nicht überwiegend als Arzneimittel anzusehen, sondern bleibt ein Joghurt mit ernährungsphysiologischem Zweck. Der beigegebene Arzneistoff wird so zum Lebensmittel und nimmt an der Lebensmittel-Eigenschaft des Joghurts teil.
2. Die beigegebene Zitronenmelisse ist nach der abstrakten Betrachtungsweise ein Stoff mit Würzzweck und als Zusatzstoff gemäß § 2 LMBG zugelassen.
3. Das zugegebene Johanniskraut ist ein zulässiger Zusatzstoff gemäß § 2 AromenVO.
Normenkette
LMBG §§ 2, 11, 18; AromenVO § 2
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 9 O 2093/98) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von 5 DM bis zu 500.000 DM, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für das Produkt „ProCult” Joghurt mild Classic/Johanniskraut und Melisse wie nachstehend wiedergegeben zu werben:
„Gesundheitskräuter beruhigend und ausgleichend”
„ProCult Joghurt mild mit Gesundheitskräutern wurde in enger Zusammenarbeit mit dem ältesten Institut für Heilpflanzenforschung (gegr. 1915) entwickelt”
und
„Es enthält die altbewährten Gesundheitskräuter …”.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass die Klage im Hauptantrag als unbegründet abgewiesen wird.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Wert der Beschwer beider Parteien übersteigt nicht 60.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich der Aufgabe widmet und dies auch in seiner Satzung verankert hat, den Wettbewerb für Heilmittel und verwandte Produkte zu schützen und zu stärken, ebenso wie die Werbung für Heilmittel und verwandte Gebiete auf ihre Lauterkeit und Vereinbarkeit mit den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, sowie den für sie ergangenen Wettbewerbsregeln, zu überprüfen und gegen Verstöße vorzugehen. Dabei versteht er als verwandte Produkte für sich in diesem Sinne alle Mittel, Gegenstände und Verfahren, die i.S.d. Heilmittelwerbung relevant sind (z.B. Schönheitspflege, Diät, Ernährung).
Zu seinen Mitgliedern gehören Firmen, die Pharma-Produkte im engeren und weiteren Sinn herstellen bzw. in der Bundesrepublik Deutschland vertreiben oder vertreiben lassen.
Die Beklagte betreibt eine Molkerei und produziert und vertreibt Molkereiprodukte mindestens im südbayerischen Raum.
Sie bringt einen Joghurt mit folgender Bezeichnung in den Verkehr „ProCult Joghurt mild”. Auf den Aufklebern der Joghurtbecher wirbt die Beklagte für dieses Produkt, das Johanniskraut und Melisse enthält, wie folgt:
Joghurt mild + Gesundheitskräuter beruhigend & ausgleichend
Classic & Johanniskraut, Melisse
ProCult Joghurt mild mit Gesundheitskräutern wurde in enger Zusammenarbeit mit dem ältesten Institut für Heilpflanzenforschung (gegr. 1915) entwickelt.
Es enthält die altbewährten Gesundheitskräuter Johanniskraut und Melisse, die bekanntlich beruhigend und ausgleichend wirken. Damit unterstützen Sie sanft Ihre Gesundheit.
Der Name des angeblich ältesten Instituts für Heilpflanzenforschung wird mit „Research Institute for Medicinal Plants” angegeben.
Der Kläger hat geltend gemacht, seine Mitglieder würden Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art wie die der Beklagten vertreiben. Insbesondere bestehe ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Produkten aus dem Bereich Lebensmittel, Nahrungsergänzung und Arzneimittel. Dieses Wettbewerbsverhältnis resultiere aus dem gesteigerten Interesse des Verbrauchers an einer gesunden Ernährung, verbunden mit dem Wunsch, hierdurch Krankheiten vorzubeugen.
Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Beklagte verwende mit Melisse und Johanniskraut zwei nach dem LMBG nicht zugelassene Zusatzstoffe, weshalb der in Rede stehende Joghurt nicht in den Verkehr gebracht werden dürfe. Im Übrigen sei die Werbung krankheitsbezogen und damit unzulässig und unlauter. Außerdem werde der Anschein eines Arzneimittels erweckt.
Der Kläger hat folgenden Klageantrag gestellt:
Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt,
a) die nicht zugelassenen Zusatzstoffe Johanniskraut und Melisse als Zusatzstoffe bei der Herstellung des Lebensmittels „ProCult Joghurt mild” zu verwenden sowie dieses so hergestellte Lebensmittel mit der Bezeichnung „ProCult Joghurt mild + Gesundheitskräuter,...