Leitsatz (amtlich)
Die unzulässige Teilkündigung einzelner Bauabschnitte durch den Auftraggeber kann dem Auftragnehmer einen Grund zur außerordentlichen Kündigung geben.
Normenkette
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 2, § 9 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 07.03.2007; Aktenzeichen 24 O 8353/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 7.3.2007 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird Ziff. I des Tenors des Urteils des LG München I vom 7.3.2007 dahingehend geändert, dass der vom Beklagten zu zahlende Betrag seit 10.8.2003 mit jährlich 5 Prozentpunkten über Basiszins zu verzinsen ist und dass festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die auf den Betrag von 91.700,86 EUR entfallende Umsatzsteuer zu erstatten, falls die M. GmbH i.L. insoweit bestandskräftig zur Abführung der Umsatzsteuer herangezogen wird.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 138.743,34 EUR.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH i.L. (künftig: Insolvenzschuldnerin). Er begehrt vom Beklagten Werklohn aufgrund des Vertrags vom 30.7.2002 (Anlage K 3) über die Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems beim Bauvorhaben des Beklagten i.H.v. 124.688,10 EUR nebst Zinsen seit 10.8.2003. Ferner begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die auf den Betrag von 91.700,86 EUR entfallende Umsatzsteuer zu erstatten, falls die Insolvenzschuldnerin insoweit bestandskräftig zur Abführung der Umsatzsteuer herangezogen werden sollte.
Der Beklagte hält die Klage für unbegründet, weil seine Teilkündigung vom 10.1.2003 (Anlage K 6) wirksam gewesen sei im Gegensatz zu der außerordentlichen Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 28.2.2003 (Anlage K 8), die zu Unrecht in der Kündigung des Beklagten vom 10.1.2003 einen schweren Vertragsverstoß gesehen habe.
Durch Urteil vom 7.3.2007 hat das LG den Beklagten verurteilt, an den Kläger 124.071,20 EUR zu bezahlen nebst Zinsen seit 13.5.2005. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das LG hat den Feststellungsantrag als unzulässig angesehen, da eine Unsicherheit über die Steuerpflicht der Insolvenzschuldnerin nicht bestehe und deshalb auch kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Den Zahlungsantrag des Klägers hat es als weitgehend begründet angesehen. Die Kündigung des Beklagten vom 10.1.2003 sei eine infolge Verwirkung unzulässige Teilkündigung aus wichtigem Grund gewesen, die in eine freie Kündigung des gesamten Vertrages umzudeuten sei. Wegen der noch nicht erbrachten Leistungen habe die Insolvenzschuldnerin daher nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzgl. ersparter Kosten und anderweitigen Erwerbs. Sachlich zur gleichen Rechtsfolge führe die wirksame außerordentliche Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 28.2.2003 gem. § 9 Nr. 3 VOB/B. Der dafür vorausgesetzte wichtige Grund liege in der unberechtigten Teilkündigung des Beklagten. Für erbrachte Leistungen habe die Insolvenzschuldnerin einen Anspruch auf 94.618,10 EUR, für nicht erbrachte Leistungen einen Anspruch von 91.771,29 EUR. Abzüglich geleisteter Abschlagszahlungen i.H.v. 62.318,19 EUR sei der im Tenor genannte Betrag von 124.071,20 EUR zuzusprechen gewesen (LGU S. 18).
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der Klageabweisung, hilfsweise Zurückverweisung an das LG begehrt.
Der Kläger tritt dem entgegen. Er beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Ferner begehrt er im Wege der Anschlussberufung, den Beginn der Zinszahlungspflicht auf 10.8.2003 festzusetzen und die Pflicht des Beklagten zur Erstattung eventuell anfallender Mehrwertsteuer aus dem Betrag von 91.700,86 EUR (für nicht erbrachte Leistungen) festzustellen.
Der Beklagte tritt der Anschlussberufung entgegen und beantragt deren Zurückweisung.
Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 16.10.2007 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ebenfalls Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO); Änderungen oder Ergänzungen haben sich nicht ergeben.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
1. Ohne Erfolg greift der Beklagte das Urteil des LG an, soweit es eine Vergütung von 91.771,29 EUR für nicht erbrachte Leistungen als berechtigt zugrunde gelegt hat.
a) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist seine Kündigung vom 10.1.2003 unwirksam, weil die Beschränkung der Kündigung auf die Bauteile 2 und 3 unzulässig war. Nach dem Wortlaut des Bauv...