Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung wegen unzureichender Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert von Swaps
Leitsatz (amtlich)
1. Im Jahr 2007 konnte einer Bank eine Aufklärungspflicht über einen anfänglichen negativen Marktwert von Swaps - und erst recht nicht über dessen konkrete Höhe - schon aus Rechtsgründen nicht bekannt sein, weil auch die Rechtsprechung einschließlich der Obergerichte eine solche Aufklärungspflicht verneint hatte.
2. Eine verjährungsrechtlich relevante Kenntnis des Anlegers von der fehlenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert eines Swaps liegt vor, wenn der Anleger positive Kenntnis davon hat, dass die beratende Bank dem Grunde nach einen anfänglichen negativen Marktwert in den Swap eingepreist hat. Auch die Aufklärung über eine in den Swap einstrukturierte "Marge" der Bank stellt einen hinreichend deutlichen Hinweis auf das eigene Gewinninteresse der Bank und damit deren Interessenkollision dar.
Normenkette
BGB §§ 276, 280 Abs. 1; WpHG § 37a
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen Urt 12.3.2014, 8 HKO 2335/12) |
Tenor
I. Auf das Anerkenntnis der Beklagten zu 2) wird festgestellt, dass der Beklagten zu 2) aus den Bürgschaftsurkunden des Klägers zu 3) vom 15.06.2010 und des Klägers zu 2) vom 17.06.2010 keine Rechte zustehen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I - 8. Kammer für Handelssachen - vom 12.03.2014, auch unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert, zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Revisionsverfahrens tragen:
Die Gerichtskosten die Klägerin zu 1) zu 88%, die Kläger zu 2) und zu 3) zu je 3% und die Beklagte zu 2) zu 6%;
die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2) und zu 3) die Beklagte zu 2) zu 50%;
die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin zu 1) zu 94% und die Kläger zu 2) und zu 3) zu je 3%.
Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 nimmt die Beklagte zu 1 auf Zahlung und Feststellung, die Kläger zu 2 und 3 nehmen beide Beklagte auf Herausgabe von Bürgschaftsurkunden in Anspruch.
Die Klägerin zu 1 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Kläger zu 2 und 3 sind ihre Gesellschafter und Geschäftsführer. Die Klägerin zu 1 stand mit der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten zu 1 in Geschäftsverbindungen. Die Klägerin zu 1 schloss mit der Beklagten zu 1 im März 2006 einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte. Jeweils nach vorangegangener Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten zu 1 schlossen die Klägerin zu 1 und die Beklagte zu 1 folgende Zinssatz-Swap-Verträge:
1. Am 7. Februar 2007 vereinbarten sie einen Cross-Currency-Swap-Vertrag mit einer Laufzeit vom 9. Februar 2007 bis zum 4. November 2013. Die Beklagte zu 1 verpflichtete sich, an die Klägerin zu 1 auf einen Bezugsbetrag von 127.500.000 HUF Zinsen in Höhe des 6-Monats-HUF-BUBOR-R. abzüglich 0,19% p.a. zu zahlen. Die Klägerin zu 1 verpflichtete sich, auf einen Bezugsbetrag von 14.209.294,55 CZK Zinsen in Höhe des 6-Monats-CZK-PRIBOR-PRBO zuzüglich 0,19% p.a. zu entrichten (vgl. Präsentation Anlage B 30 und Bestätigung Anlage B 1).
2. Am 7. März 2007 schlossen sie einen Currency-Related-Swap-Vertrag mit einer Laufzeit vom 9. März 2007 bis zum 30. Juni 2017. Zufolge dieses Vertrages sollte die Beklagte zu 1 an die Klägerin zu 1 auf einen Bezugsbetrag von 5.000.000 EUR Zinsen in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Telerate zuzüglich 1,07% p.a. bezahlen, während die Klägerin zu 1 der Beklagten zu 1 aus diesem Bezugsbetrag zur Zahlung von Zinsen in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Telerate zuzüglich eines "Spreads" verpflichtet sein sollte. Dieser "Spread" sollte 0% betragen, falls für den jeweiligen Berechnungszeitraum der EUR/CHF-Wechselkurs höher oder gleich 1,435 war. Sank dagegen der Wert des Euro im Verhältnis zum Schweizer Franken unter diese Marke, sollten von der Klägerin zu 1 zusätzlich Zinsen nach der Formel (1,435 EUR/CHF-Wechselkurs) : EUR/CHF-Wechselkurs × 100 geschuldet sein (vgl. Bestätigung Anlage B 4).
3. Schließlich vereinbarten die Klägerin zu 1 und die Beklagte zu 1 am 11. September 2007 einen weiteren Cross-Currency-Swap-Vertrag (künftig: CCS-Vertrag II) mit einer Laufzeit vom 13. September 2007 bis zum 30. Juni 2017. Danach sollte die Beklagte zu 1 an die Klägerin zu 1 auf einen Bezugsbetrag von 1,5 Mio. GBP Zinsen in Höhe des 6-Monats-GBP-LIBOR-BBA bezahlen. Die Klägerin zu 1 verpflichtete sich, an die Beklagte zu 1 auf einen Bezugsbetrag von 2.202.643,17 EUR Zinsen in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-R. zuzüglich 0,1% p.a. zu leisten (...