Normenkette
BGB §§ 823, 847
Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 9 O 6520/00) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG vom 22.3.2001 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.669,38 Euro (= 15.000 DM) zzgl. 4 % Zinsen hieraus seit 16.2.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten erster Instanz trägt die Klägerin 84 % und der Beklagte 16 %. Von den Kosten zweiter Instanz trägt die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 15.338,76 Euro (= 30.000 DM) und für den Beklagten 7.669,38 Euro (= 15.000 DM).
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 und Nr. 8 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. § 847 Abs. 1 BGB ein Schmerzensgeldanspruch i.H.v. 7.669,38 Euro (= 15.000 DM) zu.
Der Beklagte hat durch die Sterilisation die Klägerin fahrlässig an Körper und Gesundheit verletzt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wünschte die Klägerin zwar am 29.11.1995 die Eileiterdurchtrennung; eine hinreichende und rechtzeitige Aufklärung über deren Bedeutung und Folgen hat der Beklagte aber nicht nachweisen können. Eine wirksame Einwilligung der Klägerin in die Sterilisation lag damit nicht vor, was der Beklagte hätte erkennen können. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war jedoch das Verhalten der Klägerin, die den Beklagten durch die unwahre Behauptung, die Sterilisation sei ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen erfolgt, beinahe ruiniert und gesundheitlich geschädigt hat, zu ihren Lasten zu berücksichtigen.
Prinzipiell ist eine Sterilisation mit Einwilligung der Frau auch ohne besondere medizinische oder soziale Indikation rechtlich zulässig (grundlegend BGH 1967, 48 = MDR 1977, 130 = BGH AHRS 1010, 5).
Die Einwilligung des Ehemannes zur Sterilisation ist nicht erforderlich. Wie der BGH in AHRS 1010, 17 [18] ausführt, sei es zwar „guter ärztlicher Brauch”, den Ehegatten zu befragen und sich bei dessen Weigerung zurückzuhalten. Eine Verpflichtung zu dessen Befragung besteht aber nicht, wobei nach der Auffassung des Senats für türkische Staatsangehörige nichts anderes gelten kann als für deutsche.
Von einer rechtserheblichen Einwilligung ist auszugehen, wenn der Patient „im Großen und Ganzen” weiß, worin er einwilligt. Bei einer Ausländerin kommt hinzu, dass die Gefahr von sprachlichen Missverständnissen ausgeschlossen werden muss. Der Arzt muss eine sprachkundige Person hinzuziehen, wenn nicht ohne weiteres sicher ist, dass der Patient die deutsche Sprache so gut beherrscht, dass er die Erläuterungen, die er von dem Arzt erhält, verstehen kann (OLG Frankfurt v. 19.5.1993 – 13 U 138/92, VersR 1994, 986; OLG Düsseldorf AHRS 5350/17). Gibt ein ausländischer Patient, der offenbar der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, während des Aufklärungsgesprächs nicht zu erkennen, dass er die Aufklärung nicht verstanden hat, verlangt er auch nicht die Zuziehung eines Dolmetschers oder wenigstens eines deutsch sprechenden Familienangehörigen, so können die Ärzte davon ausgehen, dass die erteilte Einwilligung in den Eingriff wirksam ist (OLG München AHRS 5350/21). Dies setzt aber eine ordnungsgemäße Aufklärung in deutscher Sprache voraus.
Aufgrund der durchgeführten Vernehmung der Zeugin A., der persönlichen Anhörung der Parteien und der Bewertung der Behandlungsunterlagen kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die Unwahrheit gesagt hat, eine wirksame Einwilligung aber schon nach der Sachverhaltsschilderung durch den Beklagten nicht vorliegt.
1. Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe sie gegen ihren Willen sterilisiert, hält der Senat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme in Übereinstimmung mit dem LG für widerlegt.
Wie der im Termin anwesende Dolmetscher erläuterte, heißt Sterilisation auf türkisch u.a. „Sterilize etmek”.
Das von der Klägerin am 28.11.1995 unterzeichnete Merkblatt zum Aufklärungsgespräch (Anl. B 1, besser lesbar im im Termin eingesehenen Original) enthält fettgedruckt auf S. 1 o. die Überschrift „Sterilisation der Frau”. Auf den folgenden Seiten erscheint wiederholt der Begriff „Sterilisation”. Die in dem Merkblatt enthaltenen Zeichnungen sind ebenfalls eindeutig. Mit dem gleichzeitig durchgeführten Kaiserschnitt haben sie ersichtlich nichts zu tun. Sie zeigen die Durchtrennung der Eileiter und eine leere Gebärmutter. Am selben Tag unterschrieb die Klägerin auch das Merkblatt zum Aufklärungsgespräch „geplante Kaiserschnittentbindung”, die völlig anders (mit Kind in der Gebärmutter) illustriert ist. Der Senat sieht es als nicht glaubhaft an, wenn die Klägerin nunmehr behauptet, sie hätte diese Merkblätter überhaupt nicht angeschaut.
Aus der Aussage der Zeugin A. ergibt sich, dass die Klägerin am Operationstag wusste und wollte, dass bei ihr eine Steri...