Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung. Pflichtteil
Leitsatz (redaktionell)
Der Erbteil desjenigen, dessen Erbverzichtsvertrag ausdrücklich aufgehoben wird, ist bei der Berechnung des Pflichtteils einzubeziehen.
Normenkette
BGB §§ 2303, 2310
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 17.05.1996; Aktenzeichen 3 O 1704/95) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 17.05.1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 30.500.– abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Wert der Beschwer für den Kläger wird auf über DM 60.000.– festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte als Erbin Pflichtteils-, Pflichtteilsergänzungs- und Geldansprüche aus anderen Rechtsgründen geltend.
Am 10.6.1993 verstarb die verwitwete … aus Ingolstadt. Sie hatte 3 Kinder: den Kläger, den 1984 kinderlos verstorbenen … und den am 17.1.1979 verstorbenen … der seinerseits 2 Kinder hatte, nämlich … und die Beklagte. Der Kläger ist also der Sohn, die Beklagte die Enkelin der Erblasserin.
Die Erblasserin hat am 27.1.1992 durch Testament die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt und dem Kläger Vermächtnisse zugewendet. Dieses Testament wurde am 18.8.1992 nochmals in verschiedenen Einzelheiten abgeändert. Nach dem Wortlaut des Testaments sollte das Vermächtnis an den Kläger erlöschen, wenn dieser seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht. Dieser Fall ist eingetreten, weil der Kläger seinen Pflichtteil begehrt.
Der Vater der Beklagten, … hatte am 30.8.1972 einen notariell beurkundeten Vertrag mit seiner Mutter abgeschlossen (Urkunde des Notars … UR-Nr. …), in welchem er gegen eine Zuwendung von 250.000,– DM auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht nach seiner Mutter verzichtete.
Am 27.1.1979 verstarb … sen.. Er wurde von seiner Ehefrau … und seinen Kindern … und der Beklagten beerbt.
Am 18.8.1992 haben die Kinder des … und die Beklagte mit der Erblasserin durch notarielle Urkunde des Notars … UR-Nr. … den Erbverzicht (nicht den Pflichtteilsverzicht) aufgehoben.
Der Kläger ist der Meinung, die Aufhebung des Verzichts sei unwirksam, weil die Aufhebung nur durch die Vertragsparteien höchstpersönlich erfolgen könne, nicht aber nach dem Versterben des Verzichtenden. Deshalb stehe ihm ein Pflichtteilsanspruch von 1/2 zu, da er ohne die testamentarische Erbeinsetzung der Beklagten gesetzlicher Alleinerbe seiner Mutter gewesen wäre. Außerdem habe er weitere Ansprüche gegen die Beklagte, wegen deren Einzelheiten auf die Klageschrift vom 16.10.1995 verwiesen wird.
Der Kläger beantragte,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger,
- 3.414.467,29 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17.02.1995
- 200.371,08 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 26.07.1995
- 84.209,15 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 26.07.1995
zu zahlen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Aufhebung des Erbverzichts sei auch noch nach dem Tod des Verzichtenden durch dessen Abkömmlinge möglich. Beide Parteien haben beantragt, ein Grundurteil über die Pflichtteilsquote zu erlassen.
Das Landgericht hat mit Teil-Grundurteil vom 17.5.1996 den Klageantrag hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs an dem Nachlaß der am 10.6.1993 verstorbenen … dem Grunde nach zu 1/4 für gerechtfertigt erklärt. Die Kostenentscheidung wurde dem Schlußurteil vorbehalten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der weiterhin der Meinung ist, daß die Aufhebung des Erbverzichts unwirksam sei, weil nur die Vertragsparteien des Erbverzichts persönlich den Verzicht aufheben könnten, so daß weder nach dem Tod des Erblassers noch nach dem des Verzichtenden eine Aufhebung noch in Betracht komme. Wegen der höchstpersönlichen Rechtsnatur des Aufhebungsrechts sei auch eine Aufhebung des Verzichts durch die Erben des Verzichtenden nicht möglich. Ein Vertrag könne generell nur von den Vertragsparteien oder ihren Rechtsnachfolgern aufgehoben werden; die Ehefrau des Verzichtenden habe jedoch an der Aufhebung nicht mitgewirkt sondern nur die Abkömmlinge.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Teil-Grundurteils des Landgerichts Ingolstadt vom 17.5.1996 festzustellen, daß dem Kläger dem Grunde nach, nach der am 10.6.1993 verstorbenen Frau … ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/2 des Nachlaßwertes zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß der Erbverzicht auf Seiten des Verzichtenden keine höchstpersönliche Regelung enthalte. Es handele sich auch nicht um die Vererblichkeit eines Aufhebungsrechts. Da nach dem Tode des Verzichtenden dessen Abkömmlinge von dem Verzicht betroffen seien, könnten diese nunmehr mit der Erblasserin die Aufhebung vereinbaren.
Im übrigen wird auf die während des Berufungsverfahrens gewechselten Schriftsätze der Parteien und den Tatbestand sowie die Entscheidungsg...