Leitsatz (amtlich)
Ist der Rettungsdienst – wie in Bayern – öffentlich-rechtlich organisiert, so gilt das Haftungsprivileg des Art. 34 GG auch für die vom Träger des Rettungsdienstes zur Erfüllung dieser Aufgaben eingeschalteten Hilfsorganisationen, falls bei der Durchführung eines Krankentransportes ein Patient geschädigt wird. Dem Träger des Rettungsdienstes kann in diesem Fall aber ein Rückgriffsanspruch nach pVV zustehen.
Normenkette
GG Art. 34; VVG § 67 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 5 O 3285/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München II vom 17.10.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 14.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Ersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers gegen die Beklagte geltend und begehrt die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht.
Die Klägerin ist Kommunal-Haftpflichtversicherer des Landkreises G. und des über diesen mitversicherten Rettungsverbands O. Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und hat durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit dem Rettungszweckverband O. vom 20.12.1990 (Anlage K1) von diesem die Durchführung des Rettungsdienstes übernommen (§ 1 der Vereinbarung). In der Vereinbarung ist u.a. geregelt, welche Einrichtungen die Beklagte zur Erfüllung ihrer Aufgabe zu betreiben hat (§§ 2, 3 der Vereinbarung). In § 4 der Vereinbarung verpflichtete sich die Beklagte, Rettungsdiensteinsätze nur im Rahmen dieser Vereinbarung und nur mit den hier aufgenommenen Fahrzeugen durchzuführen. Die Durchführung von Rettungsdiensteinsätzen ohne Auftrag der Rettungsleitstelle wird für unzulässig erklärt. Wegen der näheren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf Anlage K1 Bezug genommen.
Am 4.4.2000 erhielten zwei bei der Beklagten angestellte Rettungsassistenten von der Rettungsleitstelle den Auftrag, die Patientin G.W. im Rahmen eines Krankentransports aus deren Wohnung in W. zur Einstellung ihres Herzschrittmachers in eine Arztpraxis nach G. zu transportieren.
Bei der Umlagerung der Patientin aus ihrem Bett auf die Transporttrage kam es zu dem streitgegenständlichen Unfall. Die beiden Rettungsassistenten der Beklagten hatten die Patientin, deren Gewicht ca. 120 bis 160 kg betrug, mitsamt der Bettunterlage mit Hilfe von deren Ehemann und Tochter auf die Transporttrage hinübergezogen. Noch bevor die Patientin angegurtet war, stürzte sie während des Versuchs, die seitlichen Sicherungsbügel der Trage zu arretieren, aus ca. 70 cm Höhe auf den Boden. Die Patientin erlitt hierdurch eine Schenkelhalsfraktur links sowie eine Rippenserienfraktur und musste bis zum 16.5.2000 stationär im Krankenhaus behandelt werden.
Aufgrund des Unfalls trat bei der Patientin eine chronische Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht auf. Am 12.12.2001 ist die Patientin verstorben.
Nachdem der Haftpflichtversicherer der Beklagten eine Regulierung des Schadens abgelehnt hatte, meldete die Beklagte den Schaden mit Schreiben vom 8.8.2000 (Anlage K5) bei der Klägerin an. Die Klägerin wies mit Schreiben vom 25.8. und 31.8.2000 (Anlagen K6 und K7) eine Schadensersatzpflicht ihres Versicherungsnehmers zurück. Sie übernahm ggü. der geschädigten Patientin jedoch in der Folgezeit die vorläufige Regulierung des Schadens, damit dieser kein Nachteil entsteht (vgl. Schreiben vom 6.9.2000 – Anlage K9).
Die Klägerin erbrachte Vorschussleistungen an die Geschädigte i.H.v. zunächst 14.000 DM und weiteren 15.843,02 DM (Anlage K14). Ferner zahlte sie auf eine Regressforderung des Krankenversicherers der Geschädigten einen Betrag von 20.281,32 DM (Anlage K15).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr als Haftpflichtversicherer aus gem. § 67 VVG übergegangenem Recht Ersatzansprüche gegen die Beklagte wegen der bereits gezahlten und noch zu zahlenden Leistungen zustehen. Im Verhältnis zwischen ihrem Versicherungsnehmer, dem Rettungszweckverband O., und der Beklagten sei Letztere alleine für den von ihren Mitarbeitern verursachten Unfall schadenersatzpflichtig. Eine Inanspruchnahme des Rettungszweckverbandes O. scheide wegen fehlender Passivlegitimation aus. Die Beklagte haben den Krankentransport eigenverantwortlich in Wahrnehmung eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses durchgeführt. Es habe sich nicht um ein hoheitliches Tätigwerden der Beklagten gehandelt. Nach Art. 18 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes sei die Durchführung des Rettungsdienstes nur hinsichtlich des Krankentransportes mit Hubschraubern und der Notfallrettung als öffentlich-rechtliche Hoheitsaufgabe ausgestaltet. Zwischen dem Rettungszweckverband und der Beklagten bestehe kein Über-Unterordnungsverhältnis mit Weisungsrecht, sondern vielmehr ein Gleichordnungsverhältnis. Die Beklagte h...