Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungssperren bei Tauschbörsen
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt, ist eine darauf gegründete Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rechtswidrig ist.
2. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an.
3. Von einem Passwortschutz mit Identitätsangabe des Nutzers geht eine nennenswerte Abschreckungswirkung aus, welche zwar nicht in jedem Fall eine Rechtsverletzung zu verhindern vermag, aber geeignet ist, einen unerlaubten Zugriff auf die Schutzgegenstände zumindest zu erschweren.
4. Bei dem Begriff der "Sperrung der Nutzung von Informationen" in § 7 Abs. 4 TMG handelt es sich um eine maßnahmenoffene Regelung.
5. Dass anzuordnende Maßnahmen nach § 7 Abs. 4 TMG auch zumutbar und verhältnismäßig sein müssen, folgt unmittelbar aus § 7 Abs. 4 S. 2 TMG.
Normenkette
BGB §§ 670, 683; ECRL Art. 12 Abs. 1; IMG § 8; RL 98/34/EG Art. 1 Nr. 2; RL 2000/31/EG Art. 12 Abs. 1; TMG §§ 7-8; ZPO §§ 517, 519, 520 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 20.04.2017; Aktenzeichen 7 O 14719/12) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 20.4.2017 - Az. 7 O 14719/12 - abgeändert. Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 16.1.2014 - Az. 7 O 14719/12 - wird in folgendem Umfang aufrechterhalten:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die beklagte Partei EUR 506,- zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.1.2011 zu zahlen.
III. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Widerklage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens 1. Instanz haben der Kläger 55% und die Beklagte 45% zutragen mit Ausnahme der Kosten der Säumnis im Termin vom 16.01.2014, die.der Kläger zu tragen hat.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 11% und die Beklagte 89% zutragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Im Umfang der Abweisung der Widerklage wird die Revision zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen einer über den Internetanschluss des Klägers im Wege des Filesharings begangenen Urheberrechtsverletzung.
Der Kläger ist Inhaber eines Internetanschlusses. Die Beklagte, ein Musikunternehmen, ist Inhaberin der Tonträgerherstellerrechte des Musiktitels "B m n H der Gruppe "W s H", welcher am 04.09.2010 in der Zeit zwischen 12:41:38 Uhr und 12:43:41 Uhr über den Internetanschluss des Klägers einer unbeschränkten Anzahl von Personen zum Download bereitgestellt wurde.
In erster Instanz hat der Kläger - nachdem er von der Beklagten mit Schreiben vom 29.10.2010 (Anl. K l) erfolglos abgemahnt wurde - zunächst beantragt,
1. festzustellen, dass der Beklagten gegen den Kläger keine Ansprüche aus einer angeblichen Urheberrechtsverletzung vom 04.09.2010 bestehen,
2. festzustellen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet ist, Maßnahmen zur Vorbeugung oder Verhinderung etwaiger Verletzungen von Rechten der Beklagten durch Teilnehmer des öffentlichen Internetzugangsdienstes des Klägers zu treffen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 651,80 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen, sowie im Wege der Widerklage
1. dem Kläger zu verbieten, das Musikalbum "B M N H" der Künstlergruppe "W s H" oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen,
hilfsweise:
dem Kläger zu verbieten, es Dritten zu ermöglichen, über den Internetanschluss des Klägers das Album "B M N H" Künstlergruppe "W s H" oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen,
2. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,- EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.01.2011 zu zahlen,
3. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 506,- EUR zuzüglich Zinsen, in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.01.2011 zu zahlen.
Das Landgericht hat am 16.01.2014 folgendes Versäunmisurteil gegen den im Termin nicht anwaltlich vertretenen Kläger erlassen:
I. Die Klage wird abgewiesen,
II. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt,
1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, das Musikalbum "B m n H" der Künstlergruppe "W s H" oder Teile daraus über ...