Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls
Normenkette
ZPO §§ 287, 538 Abs. 1, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 06.11.2015; Aktenzeichen 1 O 4726/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin vom 16.11.2015 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 06.11.2015 (Az. 1 O 4726/13) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Traunstein zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Traunstein vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung aus einem Verkehrsunfall vom 04.09.2010 gegen 18.20 Uhr auf der Bundesstraße 21 von L. in Fahrtrichtung U. geltend. Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Die Klägerin war Beifahrerin in dem von ihrem Mann gesteuerten Fahrzeug.
Die Klägerin behauptet, bei dem Unfall schwer verletzt worden zu sein. Sie habe durch den Verkehrsunfall eine HWS-Distorsion mit traumatischen Bandscheibenprolapsen im Segment C 5/6 und C 6/7 mit Tangierung der Nervenwurzel C 6/7 links, eine Verstauchung und Zerrung der Lendenwirbelsäule, eine Kontusion des Hüftgelenks sowie einen Tinnitus erlitten. Unfallbedingt sei ein Dauerschaden in Form von ständigen Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen vorhanden, unfallbedingt bestünden nach wie vor Übelkeit und Schwindel sowie ein Ohrengeräusch, im Bereich der Arme und Hände sei es unfallbedingt zu einer Kraftminderung mit Taubheitsgefühlen gekommen. Unfallbedingt leide die Klägerin weiter an Schlaf-, Seh- und Konzentrationsstörungen.
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 06.11.2015 (Bl. 112/117 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG Traunstein hat nach Erholung von medizinischen Sachverständigengutachten die Klage abgewiesen, da die von der Klägerin vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden entweder nicht nachgewiesen oder nicht auf den Unfall zurückgeführt werden können.
Hinsichtlich der Erwägungen des LG wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägerin am 13.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht München am 10.12.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 16.11.2015 Berufung eingelegt (Bl. 124/125 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 12.01.2016 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 129/132 d.A.) begründet.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen (Bl. 129/130 d.A.); vorsorglich: die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils unter gleichzeitiger Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (Bl. 139 d.A.).
Die Beklagten beantragen unter Rechtfertigung des Ersturteils, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 18.01.2016 (Bl. 143/144 d.A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 10.06.2016 (Bl. 147/150 d.A.) Bezug genommen.
B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.
I. Das LG hat nach derzeitigem Verfahrensstand zu Unrecht die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche verneint.
Das LG hat zwar auf die Klägerin einwirkende Kräfte unterstellt, die geeignet waren, eine HWS-Verletzung zu verursachen, hat deren Stärke und damit einen möglicherweise zugunsten der Klägerin streitenden Anscheinsbeweis aber offen gelassen. Der orthopädische Sachverständige hat eine weiter gehende Verletzung unter anderem deshalb abgelehnt, weil die "typische Konstellation" eines HWS-Schleudertraumas nicht vorgelegen habe (GA S. 11 = Bl. 37 d.A.).
1.) Die unfallanalytische Untersuchung bestimmt zunächst aufgrund von Brems- und Kontaktspuren, Beschädigungsbildern der Fahrzeuge sowie anhand von Reparaturrechnungen, wie viel Energie in Deformationsarbeit umgewandelt wurde, wobei auch das Gewicht der jeweils beteiligten Fahrzeuge zu berücksichtigen ist. Mittels physikalischer Gesetze lassen sich damit die erforderlichen Daten (bei Auffahrunfällen vor allem die Kollisionsgeschwindigkeit sowie die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung [Äv]) rekonstruieren. Zur Überprüfung der so berechneten Werte liegen inzwischen einige hundert Bilder von Crashversuchen vor, in denen die relevanten Daten mittels Präzisionsmesstechnik erfasst und dokumentiert wurden. Die berechneten und validierten Daten werden als Spanne (Minimal- und Maximalwert) angegeben, um einen realistischen Toleranzbereich zu schaffen. Dar...