Entscheidungsstichwort (Thema)

Schriftformbedürfnis bei Überlassung eines Kellerraums

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird an den Mieter ein Kellerraum überlassen, der im Mietvertrag nicht bezeichnet ist, kann die Überlassung auf einer Vereinbarung, auf einer einseitigen rechtsverbindlichen Erlaubnis oder einer unverbindlichen Gestattung beruhen.

2. Auf welcher Grundlage die Überlassung an den Mieter erfolgt, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Bei der Auslegung kommt es vorrangig darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vermieter die Rückgabe der Nebenfläche verlangen können soll.

3. Die jederzeit widerrufliche Gestattung des Gebrauchs eines Kellerraums bedarf nicht der Schriftform des § 550 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 126-127, 535, 542 Abs. 2 Nr. 1, § 550

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 24.05.2016; Aktenzeichen 12 O 15055/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.05.2016, Az. 12 O 15055/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 36.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Räumung und Herausgabe der an die Beklagte überlassenen und für eine Zahnarztpraxis genutzten Mieträumlichkeiten.

Mit dem als K 1 vorgelegten Geschäftsraummietvertrag vom 07.11.2006 mietete die Beklagte die gegenständlichen Räumlichkeiten im Anwesen ... in M von der Eigentümergemeinschaft L, W, für die ein Nießbrauch bestellt war. Das Mietverhältnis begann am 01.01.2007 und war auf 10 Jahre befristet.

Der Mietvertrag lautet u.a.:

"§ 1 Mietgegenstand

1.1 Die Vermieter vermieten an die Mieterin in dem Anwesen ... die im 2. Stock gelegenen Büroräume, bestehend aus (gegenwärtig) 10 Zimmer, Gang und zwei Toiletten, insgesamt ca. 232 m2, zum Betrieb einer Zahnarztpraxis. Die Nutzung der vermieteten Räume zu Wohnzwecken ist untersagt.

1.2 Das vermietete Objekt ergibt sich dem als Anlage 1 beigefügten Lageplan. Dieser Lageplan ist wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages.

§ 2 ...

2.2 Die Mieterin wird das Mietobjekt auf ihre Kosten und nach ihren Bedürfnissen um- und ausbauen."

In § 3 des Mietvertrages wurde der Beklagten ein Optionsrecht für weitere 10 Jahre eingeräumt.

Mit Schreiben vom 26.02.2007 übersandte der Zeuge C L in Vertretung für die Vermieterin die Schlüssel für das Kellerabteil "K 8 (Mitte rechts)" und für den Briefkasten, vgl. Anlage B 6.

Der zugunsten der Vermieterin eingetragene Nießbrauch erlosch zum 01.09.2009.

Die Beklagte schloss mit der Eigentümerin des Anwesens, der ... Gesellschaft bürgerlichen Rechts, am 24./29.09.2009 den 1. Nachtrag zum Geschäftsraummietvertrag vom 07.11.2006, vorgelegt als K 2.

Darin heißt es u.a.:

"Den Vertragsparteien sind die gesetzlichen Schriftformerfordernisse gemäß §§ 550, 578 BGB und §§ 126, 127 BGB bekannt. Sie sind verpflichtet, jederzeit und unverzüglich alle erforderlichen Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis zu genügen und/oder die damit erforderlichen Voraussetzungen (wieder) herzustellen ... Sie verpflichten sich hiermit, den Hauptmietvertrag und hierzu abgeschlossene Nachtragsvereinbarungen nicht wegen einer etwaigen Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform zu kündigen oder sonst in Zweifel zu ziehen."

Im Jahr 2010 wurde das Kellerabteil getauscht. Die Schlüssel für das andere Kellerabteil erhielt die Beklagte von der damaligen Hausverwaltung am 17.05.2010.

Der Ehemann der Beklagten, der Zeuge A, bat mit Schreiben vom 25.11.2011, vorgelegt als B 7, die Vermieter um eine schriftliche Ergänzung des Mietvertrages hinsichtlich des nunmehr genutzten Kellerabteils.

Die Klägerin hat das Anwesen erworben und ist am 04.09.2013 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden.

Die Beklagte hat mit dem als B 1 vorgelegten Schreiben vom 01.09.2013 ihr Optionsrecht auf Verlängerung des Mietvertrages bis zum 31.12.2026 ausgeübt.

Mit Schreiben vom 24.03.2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis ordentlich zum 30.09.2015.

Die Klägerin ließ vorsorglich nochmals in dem Schriftsatz vom 11.12.2015 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklären.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Schriftformmangel liege nicht vor. Die Verlängerungsoption sei von der Beklagten wirksam ausgeübt worden. Die ordentliche Kündigung der Klägerin sei daher unwirksam. Die in dem Jahr 2006 vorgenommenen Leitungseinbauten stellen schon keine wesentlichen Veränderungen der Mietsache dar. Das Kellerabteil sei nicht mitvermietet. Selbst wenn der Mietgegenstand nachträglich um...

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