Leitsatz (amtlich)

Der Abschlusszwang nach § 11 Abs. 1 UrhWG kann im Einzelfall mit Rücksicht auf entgegenstehende berechtigte Interessen der Verwertungsgesellschaft und/oder des Berechtigten aufgehoben sein.

 

Normenkette

UrhWG § 11 Abs. 1; UrhG § 42 Abs. 1, § 77 Abs. 2 S. 1, § 79; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.04.2006; Aktenzeichen 7 O 20693/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.04.2009; Aktenzeichen I ZR 5/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 13.4.2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten beider Instanzen einschließlich der durch die Nebenintervention in beiden Instanzen verursachten Kosten zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens des Nebenintervenienten abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine GmbH, begehrt von der Beklagten, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), die Erteilung einer Lizenz für den Tonträger "S.i.B." mit 12 Musikstücken entsprechend der Originalfassung gemäß der CD mit dem Titel "K." (Anlage K 3). Der Nebenintervenient ist Urheber bzw. Miturheber (Komponist bzw. Textdichter) verschiedener Titel auf der genannten CD. Alle Musikstücke wurden 1993 in den USA von der Klägerin mit dem Nebenintervenienten als Interpreten (Sänger) aufgenommen und die genannte CD mit dem Titel "K." (Anlage K 3) erstellt. Grundlage war ein Künstlerexklusivvertrag vom 23.7.1993 zwischen der damals unter N.D. GmbH firmierenden Klägerin und dem Nebenintervenienten (Anlage K 8, im Folgenden: Vereinbarung vom 23.7.1993).

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt mit der Klarstellung, dass sich alle ihre Anträge auf die Originalfassung der Werke auf der CD "K." beziehen, beantragt:

1. Der Beklagten wird aufgegeben, der Klägerin die von ihr beantragte Lizenz für den Tonträger "S.i.B." mit den Musikstücken [folgen 12 Titel] Zug um Zug gegen Zahlung der Lizenzgebühr i.H.v. 6.420 EUR zu erteilen, hilfsweise,

2. der Beklagten aufzugeben, der Klägerin eine Lizenz für den Tonträger "S.i.B." mit dem Interpreten K. mit den o.g. Musikstücken Zug um Zug gegen Zahlung der Lizenzgebühr i.H.v. 6.420 EUR zu erteilen.

Die Beklagte und der Nebenintervenient haben in erster Instanz Klageabweisung beantragt.

Das LG München I hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugen Ch.M., N.D. und [Nebenintervenient]) mit am 13.4.2006 verkündeten Urteil der Beklagten aufgegeben, der Klägerin eine Lizenz für den Tonträger "S.i.B." mit den Musikstücken [folgen 12 Titel] entsprechend der Originalfassung gemäß der Anlage K 3 Zug um Zug gegen Zahlung der Lizenzgebühr i.H.v. 6.420 EUR zu erteilen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG München I vom 13.4.2006 wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die der Nebenintervenient unterstützt. Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung aus, das LG habe im Wege einer fehlerhaften Beweiswürdigung seiner Entscheidung Feststellungen zugrunde gelegt, welche weder dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten und des Nebenintervenienten gerecht würden. Die Beklagte unterliege grundsätzlich dem Kontrahierungszwang des § 11 UrhWG. Der sich aus § 11 UrhWG ergebende Abschlusszwang sei jedoch dadurch beschränkt, dass er sich nur auf Rechte beziehen könne, welche von dem jeweiligen Urheberberechtigten mittels Berechtigungsvertrags auf die Beklagte als Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung übertragen worden seien. Das streitgegenständlich betroffene Urheberpersönlichkeitsrecht gehöre nicht zu den Rechten, welche Gegenstand des Berechtigungsvertrags zwischen der Beklagten und ihren Mitgliedern seien.

Das LG sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Erstveröffentlichung der streitbefangenen Musikwerke vorliege. Das LG habe darüber hinaus unberücksichtigt gelassen, dass bei zwei Musiktiteln Werkänderungen vorgenommen worden seien, ohne dass hier der Nebenintervenient in seiner Eigenschaft als Urheber seine Genehmigung erteilt hätte. Das LG habe es in seiner Beweiswürdigung nicht nur unterlassen, die Beweislastregeln, welche vorliegend zu Lasten der Klagepartei gingen, anzuwenden, sondern vielmehr streitigen Sachvortrag als unstreitig erachtet. Darüber hinaus habe das LG maßgebliche Einwendungen der Beklagten und des Nebenintervenienten unbeachtet gelassen. Die Beklagte könne eine Lizenzierung der Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte gem. § 11 Abs. 1 UrhWG verweigern, da die Klägerin gegen das Erstveröf...

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