Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen, Inhaltskontrolle, Revision, Bewertung, Beurteilung, Benachteiligung, Voraussetzungen, Anwendbarkeit, Bedeutung, Beratung, Bindung, Vertragslaufzeit, Ausgleich, Vertrag, unangemessene Benachteiligung
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 14.08.2020; Aktenzeichen 55 O 403/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 14. August 2020, Az. 55 O 403/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 12.203,40 festgesetzt.
Gründe
I. Der Darstellung eines Tatbestands bedarf es nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Entgegen der Beurteilung des Landgerichts hat sich der zwischen den Parteien am 16. September 2015 geschlossene Marketingvertrag (K 1) nicht über die ursprünglich vorgesehene Laufzeit von 24 Monaten ab dem 1. Dezember 2015 hinaus verlängert, sondern war mit Ablauf des 30. November 2017 beendet. Der Beklagte schuldet deshalb das mit der hiesigen Klage begehrte Entgelt in Höhe von EUR 12.203,40 nebst gesetzlicher Zinsen für eine um weitere 24 Monate bis 30. November 2019 verlängerte Laufzeit nicht.
1. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Bewertung, dass der Beklagte nicht nachweisen kann, dass er vor dem 2. August 2017 die Kündigung des Vertrags erklärt hat, und dass der Beklagte für diese Kündigungserklärung die Voraussetzungen des § 626 Abs. 2 BGB weder dargelegt noch nachgewiesen hat. Auch eine Anwendbarkeit von § 627 BGB hat das Landgericht zutreffend ausgeschlossen.
2. Trotz der damit feststehenden Nichteinhaltung der in dem von der Klägerin gestellten, vorformulierten Marketingvertrag (K 1) enthaltenen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Laufzeitende hat sich der Vertrag entgegen der dort weiter enthaltenen Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung nicht über die ursprüngliche Vertragslaufzeit von 24 Monaten hinaus um weitere 24 Monate verlängert. Denn die Verlängerungsklausel und die Klausel zur Bemessung der Kündigungsfrist, die unzweifelhaft von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der § 305 ff. BGB sind, halten jedenfalls in ihrer Gesamtschau einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand.
a) Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die Klauseln im unternehmerischen Verkehr verwendet wurden, schließt dies, wie sich aus § 310 BGB ergibt, eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht aus.
Auch dass die Klägerin, wie sie behauptet, die günstigste Anbieterin am Markt ist, steht der gesetzlich vorgesehenen Inhaltskontrolle ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht entgegen.
b) Die hier vorzunehmende Abwägung der beteiligten Interessen ergibt eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB; die Vertragsgestaltung beschränkt den Beklagten nicht mehr hinnehmbar in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1999, VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110; BGH, Urteil vom 15. März 2018, III ZR 126/17, NJW-RR 2018, 683).
Bei der Abwägung ist zum einen das vorliegend völlig fehlende Interesse der Klägerin, der Verwenderin, an längerfristiger Amortisation umfangreicher Investitionen zu sehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, VIII ZR 262/09, NJW-RR 2012, 249 Rn. 23; MünchKom BGB, § 309 Nr. 9 Rn. 22). Der Vertragsschluss bedingt keine nennenswerten Investitionen seitens der Klägerin. Denn sie erstellt standardisierte Marketingkonzepte, die sich weder an den Individualbedürfnissen eines Kunden orientieren noch daran, an wieviele Kunden das jeweilige Konzept versendet wird. Dass die Klägerin - wie regelmäßig wohl jeder Marktteilnehmer - grundsätzlich an langfristigen Vertragsbeziehungen interessiert ist, um ihre Marketingkonzepte vermarkten zu können, ändert nichts daran, dass sie für die individuellen Geschäftsbeziehungen keine besonderen Investitionen tätigen muss.
Soweit die Klägerin auf ein Interesse an Planungssicherheit hinsichtlich ihres Personalbedarfs hinweist, kommt dem nach der Beurteilung des Senats schon deshalb keine besondere Bedeutung zu, weil nach dem Geschäftskonzept der Klägerin eine individuelle Beratung eines Kunden nur sehr marginal stattfindet bzw. ohnehin gesondert zu vergüten ist. Deshalb dürfte der Personalbestand, der zur Erbringung der mit dem monatlichen Vertragspreis abgegoltenen Leistungen erforderlich ist, nur sehr bedingt von der Zahl der Kunden abhängen.
Der Beklagte hat keinerlei Interesse an längerfristiger Bindung. Der Vertrag hat ihn weder zu Beginn noch im Verlauf zu irgendwelchen Investitionen ver...