Leitsatz (amtlich)
Eine auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt marktbeherrschende Bank kann den Zugang zu ihren Geldautomaten für konkurrierende Banken nur beschränken, wenn sie die anderen Kreditinstitute dadurch sachlich nicht diskriminiert.
Normenkette
GWB § 33 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 19 Abs. 3
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 08.12.2009; Aktenzeichen 9HK O 9435/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des LG München I vom 8.12.2009 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, durch elektronische, technische oder sonstige Vorrichtungen oder sonstige Maßnahmen gleicher Wirkung an Geldautomaten, die sie zur Nutzung von VISA-Kreditkarten zum Zweck der Abhebung von Bargeld bereitstellt, insbesondere durch Auslesen und Sperren der für die Klägerinnen zu 1) bis 3) geltenden sog. Banking Identification Numbers (BIN, Bankidentifikationsnummern) BIN ...,...,...,... (Klägerin zu 1.) BIN ...,...,...,...(Klägerin zu 2.) BIN ...,...,... (Klägerin zu 3.) die Abhebung von Bargeld bis zu 200 EUR unter Einsatz der VISA-Kreditkarten, die von einer der Klägerinnen ausgegeben wurden, zu verhindern oder sonst unmöglich zu machen.
III. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 EUR und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
IV. Die Beklagte hat den Klägerinnen Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die in Ziff. II. genannten Handlungen seit dem 1.11.2008 vorgenommen hat, insbesondere unter Angabe der Zahl der vergeblichen Abhebungen mit den von den Klägerinnen mit den oben genannten BIN ausgegebenen VISA-Karten.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen nach den nach Ziff. II. zu unterlassenden Handlungen bisher entstanden ist und noch entstehen wird.
VI. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung i.H.v. 200.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Sie kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Gründe
A. Die Parteien streiten um Unterlassungs- und Folgeansprüche aus Kartell- bzw. Wettbewerbsrecht. Sie sind Wettbewerber im Bankengeschäft und bieten Privatkunden den Abschluss von Giroverträgen einschließlich der Ausgabe von Kreditkarten an.
Die Klägerinnen sind privatrechtlich organisierte Bankinstitute, die deutschlandweit tätig sind.
Die Beklagte ist dagegen als Sparkasse eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft der Stadt ' des Landkreises und des Landkreises (§ 1 Abs. 1 Satzung des Zweckverbands Sparkasse ; OBABl. 1997, S. 68). Ihr räumlicher Wirkungsbereich erstreckt sich auf das Gebiet der Stadt und des ehemaligen Landkreises nach dem Gebietsstand 30.6.1972 (§ 2 Abs. 3 der Satzung).
Sämtliche Parteien sind Mitglieder der Kreditkartenorganisation Visa International Service As-sociation (VISA) und geben an ihre Kunden mit dem VISA-Logo versehene Kreditkarten heraus. Nach den Regularien von VISA (in Auszügen Anlagen K 25 und K 26) muss das teilnehmende Mitglied in Deutschland dem Kunden grundsätzlich an den von ihm betriebenen Geldautomaten die Bargeldabhebung mit der VISA-Karte unter Eingabe einer PIN-Zahl bis zu 200 EUR ermöglichen. Bei Abhebung an fremden Geldautomaten, d.h. an solchen, deren Bankkunde der deutsche VISA-Karteninhaber nicht ist, erhält die den Geldautomaten betreibende Bank von der kartenausgebenden Bank in Deutschland eine von VISA festgelegte Gebühr von 1,74 EUR. Unter bestimmten - von VISA vorgegebenen - Bedingungen ist jedoch eine selektive Beschränkung des Zugangs zu den Geldautomaten möglich. Die Beklagte hat der Firma VISA mit Schreiben vom 13.5.2008 (Anlage B 7) mitgeteilt, dass sie u.a. auf von den Klägerinnen ausgegebene VISA-Karten keine Bargeldabhebungen an ihren Geldautomaten mehr ermögliche. VISA hat davon Kenntnis genommen und die Klägerinnen entsprechend informiert (Anlage B 8). Ab 3.11.2008 hat die Beklagte ihre Geldautomaten für von den Klägerinnen ausgegebene VISA-Karten gemäß ihrer Ankündigung gesperrt. Die Bargeldabhebung durch Kunden mittels einer Debitkarte (electronic cash- bzw. ec-Karte) oder einer anderen Kreditkarte (z.B. MasterCard) ist davon nicht betroffen, erfolgt allerdings zu erhöhten Transaktionsgebühren.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Sperrung der Geldautomaten der Beklagten für von ihnen ausgegebene VISA-Karten sei kartellrechtswidrig, da die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung ausnutze und sie ohne sachgerechten Grund gegenüber anderen Bankinstituten ...