Entscheidungsstichwort (Thema)

Angeklagter. Beschwerde. Beurteilung. Hauptverhandlung. Kosten. Rechtsmittel. unvorschriftsmäßige Besetzung. Verurteilung. Zurückverweisung. Versuch. Totschlag. gefährliche Körperverletzung. Freiheitsstrafe

 

Leitsatz (amtlich)

Waren das Revisionsverfahren und nach Zurückverweisung eine zweite Hauptverhandlung nur deshalb erforderlich, weil die Strafkammer in der ersten Hauptverhandlung die vom Verteidiger des Angeklagten zutreffend erhobene Rüge der unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nicht beachtet hat, so ist es sachgerecht, von der Erhebung der durch die erste Hauptverhandlung und das Revisionsverfahren entstandenen Kosten und gerichtlichen Auslagen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen. (Rn. 12)

 

Normenkette

StPO § 354 Abs. 2, § 465; GVG § 21g Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 23.02.2018; Aktenzeichen 2 Ks 127 Js 205623/14)

 

Tenor

  • I.

    Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird die Kostenentscheidung in Ziffer 4 des Urteils des Landgerichts München I vom 23. Februar 2018 wie folgt um Satz 2 ergänzt:

    Die von dem Angeklagten zu tragenden Kosten der ersten Hauptverhandlung und des Revisionsverfahrens werden jedoch nicht erhoben.

  • II.

    Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.

  • III.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Das Landgericht München I, 1. Strafkammer hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit dreifacher gefährlicher Körperverletzung am 31.3.2016 zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Auf die Revision des Angeklagten hat der Bundesgerichtshof am 8.2.2017 das Urteil des Landgericht München I vom 31.3.2016 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen, weil der vom Angeklagten noch vor seiner Vernehmung zur Sache erhobenen Besetzungsrüge der Erfolg nicht versagt bleiben konnte. Die Strafkammer habe die in § 21 g Abs. 1 und 2 GVG geregelten Anforderungen an eine ordnungsgemäße kammerinterne Geschäftsverteilung nicht beachtet. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8.2.2017 Bezug genommen.

Am Ende der daraufhin durchgeführten neuerlichen Hauptverhandlung verurteilte das Landgericht München I, 2. Strafkammer den Angeklagten am 23.2.2018 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit dreifacher gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Unter Ziffer IV. des Urteils traf die Strafkammer folgende Entscheidung zu den Kosten:

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens, sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers S. Ö. zu tragen.

Gegen diese Kostenentscheidung in Ziffer IV des Urteils des Landgerichts München I vom 23. Februar 2018 legte der Verurteilte mit am 2.3.2018 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsmittel ein, das als form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gemäß § 464 Abs. 3 in Verbindung mit § 311 Abs. 2 StPO zu behandeln ist. Mit Schriftsatz vom 17.4.2018 begründete der Verurteilte sein Rechtsmittel und beantragte, die Kosten für das Verfahren bei der 1. Strafkammer als Schwurgericht sowie die Kosten für die erhobene Revision bei dem Bundesgerichtshof der Staatskasse aufzuerlegen.

Die Generalstaatsanwaltschaft München legte die Akten am 25.4.2018 vor und beantragte mit Schriftsatz vom 24.4.2018, die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 2.3.2018 als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist weitestgehend begründet.

1. Es ist allerdings zunächst von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer in ihrer Kostenentscheidung die Kosten des Verfahrens vor beiden Strafkammern dem Angeklagten als Verurteiltem gemäß § 465 StPO auferlegt hat, denn das gesamte Strafverfahren bildet auch über mehrere Rechtszüge hinweg kostenrechtlich eine Einheit (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 465 Rdn. 3). Dies gilt auch dann, wenn es wegen einer zurückverweisenden Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu mehreren Hauptverhandlungen in einer Instanz gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss v. 23.9.1981, 3 StR 341/81, zitiert nach juris Rdn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt aaO; OLG München, Beschluss vom 7.10.2015, Gz.: 4b Ws 23/15). Im Falle seiner Verurteilung trägt der Angeklagte daher grundsätzlich auch das kostenrechtliche Risiko der Mehrbelastung wegen einer fehlerhaften ersten landgerichtlichen Entscheidung (BGH, Beschluss v. 7.10.1998, 3 StR 387/98, zitiert nach juris Rdn. 3; OLG München Beschluss vom 9.1.2017, 4b Ws 25/16).

2. Der Angeklagte ist nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof von der 2. Strafkammer des Landgerichts München I...

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