Leitsatz (amtlich)
1. Vor einer relativ indizierten Laseroperation einer Myopie unter -6 dpt. mit einem erheblichen Astigmatismus an beiden Augen hat der Arzt den Patienten über das erhebliche Risiko einer visuell nicht reversiblen Überkorrektur mit der möglichen Folge einer Erblindung oder einer schweren Behinderung des beidäugigen Sehens, die durch einen weiteren Eingriff nicht revidiert werden und nur durch eine risikoreiche Hornhauttransplantation einer möglichen Besserung zugeführt werden kann, aufzuklären.(Rz. 94)
2. Werden Operationsrisiken in dem Aufklärungsformular nur verharmlosend dargestellt, ohne dass eine nicht mehr korrigierbare Unter- oder Überkorrektur, eine Erblindung oder Hornhauttransplantation erwähnt werden, und ist auch eine ergänzende mündliche Aufklärung durch den Arzt nicht nachgewiesen, so steht dem Patienten, wenn bei diesem nach der behandlungsfehlerfrei durchgeführten Operation der Myopie eine Überkorrektur von ca. 3,9 dpt. auftritt, die visuell mittels Kontaktlinsen oder Brille nicht mehr zu rehabilitieren ist, ein Schmerzensgeldanspruch zu, der im Hinblick auf die erhebliche Belastung der Lebensführung im privaten und beruflichen Bereich mit 30.000 EUR zu bemessen ist.(Rz. 102)
Normenkette
BGB §§ 253, 823 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 25.7.2007 werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens und des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagten 4/5.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit jeweils i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Das angefochtene Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung an das LG München I zurückverwiesen.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte zu 1 betreibt Behandlungszentren und Privatkliniken, in welchen Augenbehandlungen durchgeführt werden, insbesondere mittels Laserverfahren. Der Zeuge Prof. Dr. N. ist bei der Beklagten zu 1 angestellter Chefarzt. Der Beklagte zu 2 und der ehemals Beklagte zu 4 sind bzw. waren bei der Beklagten angestellte Ärzte.
Die Klägerin litt an beiden Augen an einer mittelgradigen Myopie (Kurzsichtigkeit) mit einem erheblichen Astigmatismus, die durch das Tragen von Kontaktlinsen bis ca. Anfang 1996 problemlos ausgeglichen wurde. Als durch trockene Augen (Sicca-Syndrom) und durch die Alterssichtigkeit Probleme mit den Kontaktlinsen auftraten, beabsichtigte sie, sich einer augenärztlichen Regulierung der Myopie durch eine Laserbehandlung zu unterziehen.
Die Klägerin konsultierte am 17.9.1996 die vormals Beklagten zu 2 und 4, die ihr zu einer Excimer-Laser-Behandlung rieten und in einem Attest zur Vorlage an die Krankenkasse der Klägerin den Eingriff befürworteten (Anlage K 2). In dem Attest wurde die Sehschärfe wie folgt angegeben:
Rechtes Auge
- 6,0
- 2,00/162
= 1,0
Linkes Auge
- 5,5
- 0,75/14
= 1,0
Die Klägerin erhielt ein Merkblatt für Patienten und eine Patientenanmeldung ausgehändigt, die sie am 12.10.1996 unterzeichnete. In dem Merkblatt heißt es u.a.:
In extrem seltenen Fällen ist ein Nachlassen des Sehvermögens um bis zu 20 % beobachtet worden. Solche Vernarbungen können mit sehr guter Aussicht auf Besserung entfernt werden. Sie machen jedoch einen zweiten Eingriff notwendig, der nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach der Erstoperation durchgeführt wird. In 3 % bis 4 % der Fälle kommt es zu Unter- bzw. Überkorrekturen, die ebenfalls einen Zweiteingriff notwendig machen.
Anlässlich der Voruntersuchung vom 12.11.1996 erklärte ihr der Beklagte zu 2, dass zwei Operationsmethoden zur Anwendung kommen könnten, nämlich die PRK-Methode sowie die LASIK-Methode.
Bei den Voruntersuchungen am 12.11.1996 wurde u.a. die Sehschärfe beider Augen und die Hornhautdicke (Pachymetrie) gemessen, der Schirmertest (Tränenflüssigkeit) durchgeführt (Anlage K 8a) sowie eine Hornhauttopografie an beiden Augen durchgeführt. Folgende Werte wurde dabei u.a. ermittelt:
Sehschärfe:
Rechtes Auge
- 6,00
- 2,0/160
= 1,25
Linkes Auge
- 5,75
- 2,0/26
= 1,25
11Hornhauttopografie:
Rechtes Auge
Hornhautbrechkraft
45,58 dpt.
Bei 160
47,35 dpt.
Bei 70
Linkes Auge
Hornhautbrechkraft
45,66 dpt.
Bei 24
47,32 dpt.
Bei 114
Am 12.11.1996 unterzeichnete die Klägerin ein Aufklärungs- und Einwilligungsformular zu der Operation (Anlagen K, 4, 5). Der Beklagte zu 2 fügte dem vorgegebenen Text hands...