Leitsatz (amtlich)

1. Eine wortsinngemäße Benutzung eines Arzneimittelpatents ist nicht anzunehmen, wenn ein Anspruchsmerkmal als definierte chemische Substanz mit einer für den Fachmann klaren Struktur- und Summenformel beschrieben ist und die angegriffene Ausführungsform hiervon abweicht; es kommt jedoch eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in Betracht.

2. Im Rahmen der Äquivalenzprüfung ist nur auf diejenigen Merkmale und Eigenschaften des Arzneimittels abzustellen, die Teil der den Patentansprüchen zugrunde liegenden Aufgabenstellung ist, also auf die Wirkungen, die nach der Lehre des Verfügungspatents erzielt werden sollen.

3. Handelt es sich bei einem geschützten Arzneimittelpatent nicht um ein Herstellungsverfahren, sondern um einen verwendungsbezogenen Stoffschutz, so kommt es im Rahmen der Äquivalenzprüfung insbesondere nicht auf etwaige Unterschiede in der Zubereitung wie z. B. Löslichkeit, Haltbarkeit oder Stabilität an.

4. Wird in der Patentschrift nur eine bestimmte chemische Verbindung als Ausführungsform offenbart, kann hieraus noch nicht auf eine bewusste Auswahlentscheidung gegen eine andere gleichwirkende und für den Fachmann auffindbare Verbindung geschlossen werden.

5. Grundsätzlich ist auch bei einer nur äquivalent begründeten Patentverletzung der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht ausgeschlossen, da nicht die Art der Benutzung über die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidet, sondern allein die Frage, ob eine hinreichende Glaubhaftmachung der behaupteten Schutzrechtsverletzung erfolgt ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 21 O 5583/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Mün-chen I vom 24.06.2016, Az. 21 O 5583/16, wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht im einstweiligen Verfügungsverfahren gegenüber der An-tragsgegnerin einen patentrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Die Antragstellerin ist ein in I. in den Vereinigten Staaten ansässiges forschendes Arzneimittelunternehmen. Die Antragsgegnerin ist eine weitgehend auf den Vertrieb von Generika spezialisierte Gesellschaft der i. T.-Unternehmensgruppe mit Sitz in U..

Die Antragstellerin ist ausschließliche und allein verfügungsberechtige Inhaberin des europäischen Patents EP 1313508 B1 (Anlagen HL3, HL 3 a, nachfolgend: Verfü-gungspatent), welches am 15.06.2001 unter Inanspruchnahme mehrerer Prioritäten vom 30.06.2000, 27.09.2000 und 18.04.2001 angemeldet wurde. Die Veröffentli-chung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung erfolgte am 18.04.2007. Das Verfügungspatent ist mit Wirkung für Deutschland erteilt und steht in Kraft (Anlage HL 4). Patentansprüche 1 bis 5 sowie 10 und 11 lauten in der Ver-fahrenssprache

1. Use of pemetrexed disodium in the manufacture of a medicament for use in combination ther-apy for inhibiting tumor growth in mammals wherein said medicament is to be administered in combination with vitamin B12 or a pharmaceutical derivative thereof, said pharmaceutical derivative of vitamin B12 being hydroxocobalamin, cyano-10-chlorocobalamin, aquocobalamin perchlorate, aquo-10-chlorocobalamin perchlorate, azidocobalamin, chlorocobalamin or co-balamin.

2. Use according to claim 1 wherein said medicament is to be administered with vitamin B12 or a pharmaceutical derivative thereof, said pharmaceutical derivative of vitamin B12 being hy-droxocobalamin, cyano-10-chlorocobalamin, aquocobalamin perchlorate, aquo-10-chlorocobalamin perchlorate, azidocobalamin, chlorocobalamin or cobalamin, and a folic bind-ing protein binding agent selected from folic acid, (6R)-5-methyl-5,6,7,8-tetrahydrofolic acid and (6R)-5-forinyl-5,6,7,8-tetrahydrofohc acid or a physiologically available salt or ester there-of.

3. Use according to claim 2 wherin the folic binding protein binding agent is folic acid.

4. Use according to any of claims 1 to 3 wherein the vitamin B12 or pharmaceutical derivative thereof is vitamin B12, cobalamin or chlorocobalamin.

5. Use according to any one of claims 1 to 3 wherein the vitamin B 12 or pharmaceutical deriva-tive thereof is selected from vitamin B12 or hydroxocobalamin.

10. Use according to any one of claims 1 to 9 wherein vitamin B12 or pharmaceutical derivative thereof is to be administered as an intramuscular injection.

11. Use according to any one of claims 2 to 10 wherin the folic binding protein binding agent is to be administered orally as a tablet.

sowie in deutscher Übersetzung:

1. Verwendung von Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arz-neimittel in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verab-reicht werden soll, wobei das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 Hydroxocobalamin, Cya-no-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocoba-lamin, Chlo...

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