Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Aktenzeichen 1 HK O 1933/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Ingolstadt vom 11.5.2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung eines Kfz-Vertragshändler-Vertrags im Zusammenhang mit der Änderung der diesen Markt betreffenden Gruppenfreistellungsverordnung.

Die Beklagte stellt unter der Marke A. Personenkraftwagen her. Die Klägerin vertreibt seit mehr als dreißig Jahren solche Kraftfahrzeuge als Vertragshändlerin, zunächst für die V. AG, später für die Beklagte.

Am 30.11./7.12.1995 schlossen die Parteien einen von beiden Parteien "Händlervertrag U" genannten Vertrag, der u.a. folgende Regelungen enthielt:

§ 14 Allgemeine Vertragsbestimmungen

(...)

4. Sollte eine Bestimmung des Vertrags unwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen unberührt. Die Vertragspartner werden in diesem Fall die unwirksame Bestimmung durch eine der wirtschaftlichen Zielsetzung dieses Vertrags und der damit verbundenen Funktionen entsprechende vertragliche Regelung ersetzen. Das gleiche gilt, wenn der gesamte Vertrag unwirksam ist oder wird.

(...)

§ 15 Vertragsdauer und Kündigung

1. Vertragsdauer und ordentliche Kündigungsfrist

a) Dieser Vertrag tritt am 1.1.1998 in Kraft und läuft auf unbestimmte Zeit.

b) Der Vertrag kann von jedem Vertragspartner durch Erklärung mit eingeschriebenem Brief ggü. den anderen Vertragspartnern mit einer Frist von 24 Monaten zum Jahresende gekündigt werden. (...)

2. Strukturveränderung

Die [Beklagte] ist im Fall der notwendigen Umstrukturierung des inländischen Vertriebsnetzes - insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil - berechtigt, den Vertrag durch Erklärung mit eingeschriebenem Brief ggü. dem Vertriebszentrum und dem Händler mit einer Frist von 12 Monaten zum Monatsende zu kündigen.

(...)

Wegen des weiteren Inhalts dieses Vertrags wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Das Vertriebssystem der Beklagten sah eine Zahl von 1.328 Vertragshändlern vor.

Am 31.7.2002 erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaft die Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. EG Nr. L 203, S. 30; im Folgenden: GVO 1400/2002), die die bisherige Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28.6.1995 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages a.F. auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. EG Nr. L 145, S. 25; im Folgenden: GVO 1475/95) zum 1.10.2002 ablösen sollte. Art. 10 der neuen Verordnung sah eine Übergangfrist bis zum 30.9.2003 für Vereinbarungen vor, die bei In-Kraft-Treten der neuen Verordnung bereits in Kraft waren und zwar nicht dieser, aber doch der alten Verordnung entsprachen.

Mit Schreiben vom 23.8.2002 erklärte die Beklagte der Klägerin die Kündigung des Händlervertrags zum 30.9.2003 unter Berufung darauf, dass das In-Kraft-Treten der GVO 1400/2002 sie zu einer strukturellen Neuordnung des Vertriebs und einer Anpassung aller Händlerverträge an die neue Gruppenfreistellungsverordnung zwinge. Mit Schreiben vom 30.8.2002 stellte die Beklagte der Klägerin das Angebot zum Abschluss eines neuen Händlervertrags, der noch nicht ausgearbeitet sei, in Aussicht. Am 12.8.2003 übergab die Beklagte der Klägerin Abschriften der Texte für den neuen Händlervertrag und den neuen Servicepartnervertrag. Wegen des Inhalts dieser Vertragstexte wird auf die Anlagen B 1 und B 2 Bezug genommen. Die Klägerin ging nicht auf die Möglichkeit des Abschlusses neuer Verträge ein, sondern widersprach mit Schreiben vom 29.8.2003 der Kündigung.

Die Beklagte bot in Fällen, in denen auf Grund ordentlicher Kündigung oder Aufhebungsvertrags die Händlerverträge zum 31.12.2003 enden sollten, ihren Händlern eine Anpassung des Vertrags mit Wirkung ab 1.10.2003 an. Wegen des Inhalts des Anpassungsangebots wird auf das Schreiben der Beklagten vom 26.9.2003 (Anlage K 16) Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen einer Kündigung gem. § 15 Ziff. 2. des Händlervertrags lägen nicht vor. Allein die Rechtsänderung des Übergangs von der GVO 1475/95 zur GVO 1400/2002 sei nicht geeignet, den für eine derartige Kündigung erforderlichen Umstrukturierungsbedarf zu begründen. Im Übrigen hätte dem Umstand, dass das bisherige Vertriebssystem mit einer Kombination exklusiver und selektiver Elemente nicht mehr freigestellt sei, durch die Aufgabe der Mischung von selektivem und exklusivem Vertrieb im Wege der Vertragsanpassung erfolgen können, nämlich durch Strei...

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