Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der widerrechtlichen Entnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung an einer Patentanmeldung steht demjenigen zu, der einen schöpferischen Beitrag zum Gegenstand der Erfindung geleistet hat. (Rn. 50)
2. Schöpferisch ist ein Beitrag, wenn er über eine bloße konstruktive Mithilfe bei der Realisierung der Erfindung hinausgeht. Einer selbstständigen erfinderischen Leistung bedarf es hierfür nicht (Anschluss an BGH GRUR 2020, 1186 - Mitralklappenprothese). (Rn. 50)
Normenkette
PatG § 8
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 16.06.2017; Aktenzeichen 21 O 19141/14) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 16. Juni 2017, Az. 21 O 19141/14, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Landgerichts ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rechte an einer Erfindung betreffend eine Herzklappenprothese.
Die Klägerin ist ein im Jahr 2006 von dem Herzchirurgen Dr. A. Q. gegründetes, in Kalifornien (USA) ansässiges Unternehmen der Medizintechnik. Bis 2008 war sie vornehmlich mit der Entwicklung eines Systems zum Ersatz von Aortenklappen befasst. Im August 2008 begann sie mit Arbeiten an einer katheterisierbaren, d.h. minimalinvasiv applizierbaren Bioprothese zum Ersatz der Mitralklappe des Herzens. Ihre Produkte bestehen aus einem zusammendrückbaren Metallrahmen, in den eine künstliche Klappe, etwa aus biologischem Gewebe, eingenäht ist. Derartige Mitralklappenprothesen konnten nach ihren Angaben erstmals im Jahr 2012 erfolgreich einem Menschen implantiert werden.
Die im Jahr 2008 gegründete Muttergesellschaft der Beklagten, die N. Inc., befasst sich mit der Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten, insbesondere von speziellen Einzelkomponenten für den kardiovasculären Bereich. Nach ihrer Selbstdarstellung (vgl. Unternehmenspräsentation nach Anlage HE 11, Stand April 2009) ist ihre Abteilung "N. Surgical Products" primär mit der Bereitstellung von biologischem (bovinem, equinem und porcinem) Pericardmaterial zum Einbau etwa in Aorten- und Mitralklappen befasst; über ihr Konstruktions- und Fertigungsteam bietet sie ihren Abnehmern - vornehmlich Unternehmen, die Herzklappen zur minimalinvasiven Applikation produzieren - auch Dienstleistungen wie Klappendesign, Stentkonfiguration, Zuschnitt und Nähen des Herzmuskelgewebes oder Entwicklung minimalinvasiver Einführsysteme an. Mit E-Mail vom 04. Juni 2009 stellte die N. der Klägerin ihre Abteilung "N. Surgical Products" als Anbieter derartiger Gewebe und Dienstleistungen vor (Anlage HE 10, deutsche Übersetzung HE 10a). Noch am 04. Juni 2009 schlossen beide eine Geheimhaltungsvereinbarung (Anlage HE 12, HE 12a), die Klägerin betraute die Beklagte damit ihre (den metallenen "Korpus" von Mitralklappen bildenden) Rahmen mit biologischem Gewebe auszustatten. Zu diesem Behufe übermittelte die Klägerin der N. mit E-Mail vom 05. Juni 2009 (HE 13, HE 13a) verschiedene Konstruktionsunterlagen für zwei von ihr entwickelte, als "Origami-Klappen-Konzept" bezeichnete Prototypen von Mitralklappenprothesen-Rahmen, nämlich für die als Rev. B und Rev. C bezeichneten Modelle (vgl. Photographien LGU S. 6), samt deren Schnittmustern für die Herstellung der entsprechenden Rahmen (HE 13, HE 13a, erstes Blatt). Mit E-Mail vom 12. Oktober 2009 (Anlagen HE 14, HE 14a) informierte die Klägerin die Beklagte über beabsichtigte Modifikationen und kündigte für Anfang November 2009 erste Prototypen für überarbeitete Rahmen-Versionen (Modelle Rev. C und Rev. D) an, verbunden mit verschiedenen Fragen zur Dimensionierung des Rahmens (Höhe zu Durchmesser in entfaltetem Zustand) sowie zur Dehnung des (mit dem Rahmen zu verbindenden) Gewebes sowie zur Fixierung des Gewebes an der Klappe. Unter dem Betreff "Stent/Käfig CAD-Datei" schickte B. R. der N. schließlich am 09. Februar 2010 eine weitere Mail betreffend die Versionen Rev. E2 und Rev. E3 (Anlage HE 15, HE 15a), ehe die Zusammenarbeit im März/April 2010 endete.
Am 05. Mai, 15. Oktober und 17. November 2010 reichte die N. drei US-Anmeldungen ein, deren Priorität sie für die am 04. Mai 2011 angemeldete WO 2011/13753 (Anlage HE 1, HE 1a) betreffend eine Transkatheter-Mitralklappenprothese (Ansprüche 1 bis 29: A method of anchoring a prosthetic valve in a patient's heart; Ansprüche 30 bis 60: A prosthetic cardiac valve; Anprüche 61 bis 68: A delivery system für delivering a prosthetic cardiac valve to a patient's heart) in Ansp...