Leitsatz (amtlich)
Das selbständige Beweisverfahren zu einer Vielzahl von Mängeln hemmt die Verjährung nicht nur für den einzelnen Mangel, sondern auch für das gesamte Werk.
Der zeitweise Nichtbetrieb des Beweisverfahrens kann die Hemmung enden und die Verjährung weiterlaufen lassen.
Normenkette
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.04.2008; Aktenzeichen 5 O 12879/06) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 29.4.2008 wird zurückgewiesen, soweit darin die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen ist.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 29.4.2008 aufgehoben, soweit darin die Klage gegen die Beklagten zu 2) bis 4) abgewiesen ist.
Die Beklagten zu 2) bis 4) werden dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der durch die Planung des 1992/1993 im Kreiskrankenhaus M. eingebauten und mit einem Systemmangel behafteten Glasdachs der Firma K. entstanden ist.
Wegen der Anspruchshöhe wird das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG München I zurückverwiesen.
III. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) in erster und zweiter
Instanz trägt jedoch die Klägerin.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 125.059,47 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht von den Beklagten samtverbindlich Schadensersatz i.H.v. 125.059,47 EUR nebst Zinsen wegen Mängeln des von der Beklagten zu 1) in den Jahren 1992/1993 errichteten "Glasdachs mit Stahlunterkonstruktion", das der am 15.9.2001 verstorbene Vater der Beklagten zu 2) bis 4), Architekt K., geplant hat und dessen Bau er überwacht hat. Die Beklagten zu 2) bis 4) sind seine Erben.
Den Architektenvertrag vom 9.8.1985 mit K. und den Bauvertrag vom 28.2.1992 mit der Beklagten zu 1) schloss der Landkreis M. als Auftraggeber.
Dem Architektenvertrag vom 9.8.1985 (Anlage K 2) liegt ein Anhang 1 "Allgemeine Vertragsbestimmungen" bei, dessen Ziff. 9.4 wörtlich lautet:
"Die Ansprüche des Auftraggebers aus diesem Vertrag verjähren in 5 Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Erfüllung der letzten nach dem Vertrag zu erbringenden Leistung, spätestens jedoch bei Übergabe der baulichen Anlage an die nutzende Verwaltung. Für Leistungen, die nach der Übergabe noch zu erbringen sind, beginnt die Verjährung mit der Erfüllung der letzten Leistung. Für Schadenersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung gelten die gesetzlichen Vorschriften über die Verjährung."
Dem Auftrag des Landkreises M. vom 20.8.1992 an die Beklagte zu 1) (Anlage K 1) waren "Besondere Vertragsbedingungen" beigefügt, deren Ziffer 6 mit "Gewährleistung" überschrieben ist und folgenden Wortlaut hat:
"Für folgende Leistungen beträgt die Verjährungsfrist:
Gesamtleistung gemäß VOB 2Jahre
Korrosionsschutz, konstruktiv und Oberflächen 5 Jahre"
Architekt K. unterzeichnete für den Landkreis M. am 17.12.1992 und 5.10.1993 Abnahmebescheinigungen bezüglich des streitgegenständlichen Glasdachs (Anlagen K 3 und K 4). Die auch von einem Vertreter der Beklagten zu 1) unterzeichnete "Abnahmebescheinigung" vom 5.10.1993 enthält wörtlich Folgendes:
"Gewährleistungspflicht des Unternehmers beginnt lt. Vertrag am 5.10.1993 endet am 4.10.1995"
Durch Schriftsatz vom 26.1.1995 (eingegangen am 30.1.1995) beantragte der Landkreis M. beim LG T. im selbständigen Beweisverfahren die Beweiserhebung zu diversen Mangelbehauptungen gegen die Beklagte zu 1), den Architekten K. und den Statiker S. Die Beweisanträge lauten auszugsweise wörtlich:
"I ...
1. Die Standsicherheit der Stahl-Tragkonstruktion des Glasdaches (Sekundärsystem) ist nicht gegeben ...
2. Der erforderliche Korrosionsschutz für die Stahl-Tragkonstruktion des Glasdaches (Sekundärsystem) ist nicht gegeben. Auch insoweit ist die Standsicherheit des Sekundärsystems nicht vorhanden ...
3. Bei der Herstellung der Stahltragkonstruktion des Glasdaches wurden die einschlägigen anerkannten Regeln der Technik nicht beachtet ...
4. Die tatsächliche Ausführung der Stahl-Tragkonstruktion des Glasdaches weicht von den in der Statik (II. Teil) vom 9.2.1993 enthaltenen Angaben ab, die Grundlage für die Baugenehmigung waren ...
5. Die tatsächliche Ausführung bei der Herstellung der Stahl-Tragkonstruktion des Glasdaches weicht darüber hinaus auch von den Auflagen ab, die die in dem statischen Prüfbericht der Landesgewerbeanstalt Landshut vom 7.10.1993 Nr. 609/91 für die Freigabe der Herstellung nach der vorgelegten Statik vom 9.2.1993 festgelegt sind ...
6. Das Glasdach besitzt nicht die vertraglich bestimmten Eigenschaften ...
7. Der Öffnungsmechanismus zum Öffnen des Glasdaches weist nicht die erforderlic...