Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarung mit der Gläubigerin eines Verlustausgleichsanspruchs zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Es verbietet § 302 III AktG der beherrschten Gesellschaft, binnen drei Jahren ab Beendigung des Beherrschungsvertrages und damit auch vor dessen Beendigung auf den Verlustausgleichsanspruch zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen. Damit sind auch dessen Stundung und stundungsgleiche Rechtsgeschäfte wie die Umwandlung in eine Darlehensrückzahlungsforderung unstatthaft, soweit nicht eine Abwendung des Insolvenzverfahrens des Ausgleichspflichtigen iSv. § 302 III 2 AktG erfolgen soll. (Rn. 24, 26 und 27)

2. Ein sog. Loan Agreement, in dem über mehrere Jahre angewachsene und in den Jahresabschlüssen festgestellte Verlustausgleichsansprüche einer GmbH in einen von einer Kündigung abhängigen Darlehnsrückzahlungsanspruch umgewandelt werden, verstößt grundsätzlich gegen § 302 Abs. 3 AktG (analog) und ist damit nach § 134 BGB nichtig. (Rn. 23 - 27)

3. Ein Vergleich mit einem Gläubiger, der auch der Gläubiger des Verlustausgleichsanspruchs sein kann, zur Abwendung des Insolvenzverfahrens iSv § 302 Abs. 3 S. 2 AktG setzt voraus, dass dadurch ein am Tag des Vergleichsschlusses vorliegender Insolvenzgrund nachhaltig entfällt. (Rn. 31 - 32)

 

Normenkette

AktG § 302 Abs. 2-3; BGB § 134; InsO § 17 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 30.04.2018; Aktenzeichen 5 HK O 21625/16)

LG München I (Urteil vom 19.05.2017; Aktenzeichen 5 HK O 21625/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30.4.2018 (Az.: 5 HK O 21625/16) aufgehoben.

2. Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts München I vom 19.5.2017 (Az.: 5 HK O 21625/16) abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin macht als Insolvenzverwalterin der I. I. AG [im folgenden: Schuldnerin] Ansprüche gemäß §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG wegen Zahlungen nach Insolvenzreife der Schuldnerin geltend. Die Beklagte ist die Alleinerbin des am 1.3.2019 verstorbenen Herrn K. T.-T. [im folgenden: Erblasser], der im streitgegenständlichen Zeitraum Vorstand der Schuldnerin war. Die Klage richtete sich ursprünglich gegen den Erblasser. Nach Unterbrechung des gegenständlichen Berufungsverfahrens durch Tod des Erblassers hat es die Beklagte anstelle des die Berufung führenden Erblassers aufgenommen.

Der Erblasser gehörte dem Vorstand der Schuldnerin bis August 2008 und wiederum seit dem 22.12.2008 an. Einen ersten Insolvenzantrag der Schuldnerin vom August 2008 nahm er nach seiner Neubestellung zurück. Am 19.8.2009 stellte die Schuldnerin erneut Insolvenzantrag, welcher zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 2.2.2010 (Anlage K 1) führte.

Im Zeitraum vom 26.2.2009 bis zum 14.5.2009 veranlasste der Erblasser Zahlungen in Höhe der Klageforderung von Konten der Schuldnerin an Dritte; hinsichtlich der einzelnen Zahlungen wird auf S. 5 des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Schuldnerin ab dem 22.12.2008 durchgängig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zahlungsunfähig war.

Die (ebenfalls insolvente) I. F. GmbH [im folgenden: I. GmbH] ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Schuldnerin. Geschäftsführer der I. GmbH war seit November 2007 der Erblasser. Zwischen der Schuldnerin und der I. GmbH bestand der (mit der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin geschlossene) Ergebnisabführungsvertrag gemäß Anlage K 7. Hiernach war die Schuldnerin zum Ausgleich des Jahresfehlbetrags der I. GmbH verpflichtet. Der Anspruch wurde fällig jeweils mit Feststellung des Jahresabschlusses der I. GmbH. Hinsichtlich der Einzelheiten des Ergebnisübernahmevertrages wird auf Anlage K 7 Bezug genommen.

Am 31.12.2007 schlossen die Schuldnerin und die I. GmbH (jeweils vertreten durch den Erblasser) den als Loan Agreement bezeichneten Vertrag gemäß Anlage B 1. Hiernach gewährte die I. GmbH der Schuldnerin im Hinblick auf die bis dahin aufgelaufenen Verbindlichkeiten aus dem Ergebnisübernahmevertrag ein Darlehen über rund 11,7 Mio. EUR, welches binnen zwei Wochen nach Kündigung zum Quartalsende zur Rückzahlung fällig sein sollte. Hinsichtlich der Einzelheiten des Loan Agreements wird auf Anlage B 1 Bezug genommen. Eine Kündigung des Darlehens erfolgte bis zur Insolvenzeröffnung nicht.

Der Insolvenzverwalter der I. GmbH hat im Insolvenzverfahren der Schuldnerin eine Forderung aus dem Ergebnisübernahmevertrag bzw. Loan Agreement in Höhe von rund 9,3 Mio. EUR nebst Zinsen zur Tabelle angemeldet. Ferner erfolgten Anmeldungen der Gläubig...

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