Entscheidungsstichwort (Thema)

Zinsanspruch aus Sicherungsgrundschulden: Geltendmachung der gesamten Grundschuldzinsen in der Zwangsversteigerung ggü. dem Ersteher durch den Sicherungsnehmer; Wirksamkeit abweichender Regelung durch allgemeine Geschäftsbedingungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ersteher eines Grundstücks, der eine auf dem Grundstück lastende verzinsliche Grundschuld übernimmt, ist gem. § 56 S. 2 ZVG verpflichtet, für den Zeitraum zwischen Zuschlag und Zahlung des Grundschuldnominalbetrags an den Grundschuldgläubiger die dinglichen Grundschuldzinsen zu entrichten (Rz. 31).

2a. Die Sicherungsgrundschuld stellt nicht nur ein abstrakt-dingliches Grundpfandrecht dar, sondern ihr liegt auch ein durch die Sicherungsabrede begründetes Treuhandverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer zugrunde, in dessen Rahmen der Sicherungsnehmer (Grundschuldgläubiger) verpflichtet ist, auch die Interessen des Sicherungsgebers zu wahren (Rz. 31).

2b. Hieraus folgt nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Sicherungsnehmers ggü. dem Sicherungsgeber, die dinglichen Zinsen ggü. dem Ersteher des Grundstücks geltend zu machen (vergleiche BGH, 27.2.1981 - V ZR 9/80, WM 1981, 581; entgegen OLG Hamm, 17.1.1992 - 15 W 18/92, OLGZ 1992, 376 sowie OLG München, 10.7.1979, 27 U 220/79, NJW 1980, 1051) und einen Übererlös an den Sicherungsgeber auszukehren (Rz. 37).

2c. Dieser Pflicht entgegenstehende AGB in der der Grundschuldbestellung zugrunde liegenden Zweckbestimmungserklärung sind überraschend, jedenfalls aber unwirksam (Rz. 31)(Rz. 44)(Rz. 45)(Rz. 50)(Rz. 51)(Rz. 52).

 

Normenkette

ZVG § 56 S 2; BGB §§ 305c, 1197 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 20.10.2009)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.02.2011; Aktenzeichen V ZR 132/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG München I vom 20.10.2009 aufgehoben.

II. Es wird festgestellt dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen dadurch entstanden ist, dass die Beklagte mit Schreiben vom 6.3.2006 (Anlage B 1) die Ersteherin G. zur Zahlung bis 15.3.2006 einer Grundschuldnominalbetragssumme von 5.317.435,56 EUR aufgefordert hat, nicht aber auch zur Zahlung der dinglichen Zinsen von 18 % p.a., die auf die in dem Schreiben genannten Nominalbeträge angefallen sind im Zeitraum vom Zuschlagsbeschluss des AG München vom 22.12.2005 (1510 K 293/2004) bis zur am 15.3.2006 erfolgten Zahlung der Ersteherin.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

V. Die Revision wird zugelassen.

VI. Der Streitwert für den Rechtsstreit wird - bezüglich der ersten Instanz unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des LG München I vom 21.10.2009 - bis 11.8.2009 auf 220.673,58 EUR festgesetzt, danach auf 110.336,79 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche der Kläger auf Grundschuldzinsen.

Die Kläger waren Bruchteilseigentümer des rechtlich vereinigten Grundstücks der Gemarkung L. Flurstück-Nr ...

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Vertragspartnerin der Kläger, nämlich der S. bank AG (fortan einheitlich: die Beklagte).

Die Kläger waren Kreditnehmer der Beklagten. Am 8.3.2006 valutierten die 4 Darlehen, die die Kläger bei der Beklagten aufgenommen hatten, noch mit 5.186.763,30 EUR. Die Darlehen waren besichert durch 19 Grundschulden auf dem oben genannten Grundbesitz mit einem Gesamtnominalbetrag von 5.317.435,56 EUR. Gleichzeitig war bestimmt, dass die Grundschulden mit 18 % p.a. zu verzinsen sind.

Die Zweckbestimmungserklärungen, die den Grundschulden zugrunde liegen, lauten (vgl. zu zwei der 19 Grundschulden die Anlagen B 7 und B 8) auszugsweise:

"Zur Sicherung aller Ansprüche der Bank aus diesem Darlehensverhältnis ... dienen die der Bank am Beleihungsobjekt zu verschaffenden Grundschulden ... Die Ansprüche auf Rückgewähr dieser Grundschuld sind darauf beschränkt, dass von der Bank ausschließlich die Löschung der Grundschuld verlangt werden kann. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn im Zeitpunkt der Rückgewähr das Eigentum an dem belasteten Grundbesitz durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gewechselt hat ...

Die Bank ist nicht verpflichtet, bei einem Zwangsvollstreckungsverfahren die Grundschuld mit einem ihre schuldrechtlichen Ansprüche übersteigenden Betrag geltend zu machen. Sie ist berechtigt, ganz oder teilweise auf die Grundschuld oder auf einen an ihre Stelle getretenen Geldbetrag zu verzichten. Dies gilt auch bei einer Verwertung der Grundschuld außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens."

Zum Zwecke der Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft betrieben die Kläger die Teilungsversteigerung. Mit Zuschlagsbeschluss vom 22.12.2005 (Anlage K 1) wurde der G. (fortan: die Ersteherin) in München der Zuschlag über das streitgegens...

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