Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzforderung
Normenkette
InsO §§ 94, 96 Abs. 1 Nr. 3, § 179; ZPO §§ 32c, 608 Abs. 2 Nr. 4
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass einer Berücksichtigung des Neukundenbonus in den Abrechnungen eines Energielieferungsvertrages zwischen einem Verbraucher und der BEV B. E.versorgungsgesellschaft mbH nicht die Tatsache entgegensteht, dass die Belieferung durch die BEV B. E.versorgungsgesellschaft mbH und/oder den vorläufigen Insolvenzverwalter vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit endete.
II. Es wird festgestellt, dass die Berücksichtigung des prozentual vom Umsatz gewährten Neukundenbonus in der Weise zu erfolgen hat, dass die Entgeltforderung in der Endabrechnung um den Bonus zu kürzen ist und dies nicht den Aufrechnungsregelungen nach den §§ 94 ff. InsO, insbesondere nicht dem Verbot nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unterfällt.
III. Der Musterbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
VI. Der Streitwert wird auf 250.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der klagende Verband macht gegen den beklagten Insolvenzverwalter eines Strom- und Gaslieferanten geltend, dass nach Beendigung der Energielieferungen in dessen Schlussrechnungen ein vertraglich vorgesehener Neukundenbonus ohne Berücksichtigung einer Mindestvertragslaufzeit zu gewähren sei und dass die Verbraucher nicht darauf verwiesen werden dürften, ihre entsprechenden Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden.
Der Musterkläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 26 weiterer Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland. Gemäß § 2 seiner Satzung bezweckt er, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Er ist in die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKIaG eingetragen. Im Jahre 2019 erzielte er Einnahmen in Höhe von rund 47.309.000 EUR, die sich in die Bereiche institutionelle Förderung und Projektförderung aufteilen. Die institutionelle Förderung betrug rund 13.752.000 EUR und beruhte in Höhe von rund 13.471.000 EUR auf Zuwendungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Einnahmen aus Projekten beliefen sich 2019 auf rund 33.557.000 EUR, wovon ca. 31.095.000 EUR auf Mittel des Bundes entfielen.
Der Musterbeklagte ist der Insolvenzverwalter der BEV B. E.versorgungsgesellschaft mbH (nachfolgend: Schuldnerin).
Diese warb Kunden von Energielieferverträgen über Gas und/oder Strom unter anderem mit einem vom Jahresumsatz abhängigen Neukundenbonus.
In Ziffer 3.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schuldnerin für die Belieferung von Strom (nachfolgend AGB-Strom) vom 25. September 2017 (vgl. Anlage B 17), 13. November 2017 (vgl. Anlage K 3) und 29. Mai 2018 (vgl. Anlage B 18) heißt es jeweils:
Die Vertragslaufzeit richtet sich nach dem gewählten Produkt. Es gilt die in der Belieferungsbestätigung genannte Vertragslaufzeit. Sofern hierzu in der Belieferungsbestätigung keine Regelung getroffen wird, gilt eine Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten als vereinbart.
In Ziffer 7.1 der AGB-Strom heißt es jeweils:
Sofern nicht abweichend vereinbart, stellt die [Schuldnerin] am Ende des Abrechnungszeitraums dem Kunden eine Jahresabrechnung, in der die geleisteten Abschlagszahlungen berücksichtigt sind. Abweichend vom jährlichen Abrechnungszeitraum kann auch eine monatliche, vierteljährliche oder halbjährliche Abrechnung (unterjährige Abrechnung) vereinbart werden. [...] Der Kunde erhält die Abrechnung spätestens sechs Wochen nach Beendigung des abzurechnenden Zeitraums und die Abschlussrechnung spätestens sechs Wochen nach Beendigung des Lieferverhältnisses.
In Ziffer 7.4 der AGB-Strom heißt es jeweils:
Sofern im jeweiligen Tarif vereinbart, bietet die [Schuldnerin] als Abschlussprämie für den Abschluss des Vertrages einen einmaligen Prämienbetrag (Bonus). Die Modalitäten der Gewährung eines zugesagten Bonus sind dem jeweiligen Angebot bzw. der Belieferungsbestätigung zu entnehmen.
In Ziffer 7.5 der AGB-Strom heißt es jeweils:
Die Verrechnung eines dem Kunden ggf. von der [Schuldnerin] zu gewährenden Bonus mit Forderungen der [Schuldnerin] aus unterjähriger Abrechnung vor Ablauf eines Belieferungsjahres sowie mit Abschlagszahlungen vor Erteilung der ersten Jahresverbrauchsrechnung ist ausgeschlossen.
In den Belieferungsbestätigungen (vgl. Anlagenkonvolute K 16 bis K 45) der Schuldnerin - die aus einem Anschreiben und einem Blatt bestehen, welches nochmals die kundenspezifischen Informationen sowie die vertragsrelevanten Konditionen auflistet (vgl. Musterklageerwiderung v. 30. März 2020 Rn. 233) - heißt es unter dem Gliederungspunkt Tarif (die Preise sowie die Höhe des Neukundenbonus variieren):
Grundpreis: [...] EUR/Monat (inkl. 19% MwSt.)
Arbeitspreis: [.....