Leitsatz (amtlich)
Die Anwendung eines üblichen Gliederungsschemata folgenden Nummerierungssystems auf ein möglicherweise urheberrechtlich geschütztes Ordnungssystem ist keine persönliche geistige Schöpfung i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG.
Normenkette
UrhG §§ 2, 97
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 7 HKO 9532/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des LG München I vom 31.10.2001 – 7 HKO 9532/01 – wird als unzulässig verworfen.
II. Auf die Berufungen der Beklagten zu 2) und 3) wird das genannte Urteil insoweit, als die Beklagten zu 2) und 3) verurteilt wurden, aufgehoben. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte zu 1) trägt in beiden Rechtszügen 1/3 der Gerichtskosten, 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 75.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2) und 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
V. Die Revision der Klägerin zum BGH wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Recht der Beklagten, ein Briefmarken-Katalog-Programm mit einer von der Klägerin für urheberrechtsverletzend und wettbewerbswidrig gehaltenen Funktion zu vertreiben.
Die Klägerin betreibt einen Verlag, in dem sie die seit dem Jahre 1910 erscheinenden Michel-Briefmarken-Kataloge herausgibt. Verfasser des ersten „Michel” war Georg Hugo Paul Michel-Triller (1866–1944). Der Katalog wurde seither laufend neu bearbeitet und erweitert; die Klägerin ist Inhaberin der Nutzungsrechte an allen urheberrechtlich schutzfähigen Elementen der Kataloge. Diese haben einen hohen Bekanntheitsgrad unter Sammlern und, zumindest für die Sammelgebiete der deutschsprachigen Länder, in Deutschland einen Marktanteil von über 70 %. Die Kataloge erscheinen in regelmäßigen Abständen jeweils mit aktualisiertem Inhalt und werden von der Klägerin sowohl in Buchform wie auch – mit teilweise ggü. der Buchform geändertem Inhalt – auf CD-Rom zu Verwendung auf PC – Letzteres zusammen mit einem Briefmarken-Verwaltungsprogramm – vertrieben. Michel-Kataloge gibt es weltweit für eine große Zahl von Ländern.
Die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger haben seit dem Jahre 1910 ein Briefmarken-Katalogisierungssystem entwickelt, das geopolitischen, geschichtlichen und philatelistischen Ordnungsprinzipien folgt und jeder Briefmarke innerhalb eines Sammelgebietes eine sie individualisierende und auf Besonderheiten der Briefmarke hinweisende Nummer zuweist. Für die Einzelheiten dieses Systems wird auf Bl. 3–5 der Klageschrift, Nr. 3 und 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 5.9.2002 und den Abschnitt „Michel-Nummerierung” in dem vorliegenden Katalog (Michel Deutschland-Spezial 2002, Bd. 1 und 2) verwiesen. Das System hat sich unter Sammlern und Händlern weitgehend durchgesetzt und spielt im Verkehr mit Briefmarken eine erhebliche Rolle. Es wird auch von verschiedenen Interessenten genutzt, die mit der Klägerin Lizenzverträge geschlossen haben; gegenwärtig bestehen etwa 250 bis 300 derartige Lizenzverträge weltweit. Die Klägerin behauptet, sie beschäftige im Zusammenhang mit der laufenden Aktualisierung des „Michel” zur Erarbeitung der redaktionellen Beschreibung der Briefmarken und zur Vergabe der Briefmarkennummern i.d.R. 9 bis 10 Redakteure und einen Chefredakteur als Vollzeitarbeitskräfte.
Die Beklagten zu 2) und 3) betreiben als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Beklagten zu 1), ebenfalls einen Verlag, der – ausschließlich auf CD-Rom – unter der Bezeichnung Philotax ebenfalls Briefmarkenkataloge für einige deutschsprachige Sammelgebiete (Aufzählung: Klageschrift, Bl. 3) herausgibt (Internet-Werbung für diese Kataloge: Anlagen K 1, K 4, K 9a bis K 14). Die Beklagten gehören nicht zum Kreis Lizenznehmer der Klägerin; nachdem die Beklagten im Jahre 1998 den Versuch gemacht hatten, ein vom Nummernsystem der Klägerin abgeleitetes Nummernsystem zu benutzen (Einzelheiten: Klageschrift, S. 5/6), gaben sie am 20.8.1998 auf Abmahnung eine Unterlassungserklärung ab (Anl. K 3). Die Beklagten verwenden in ihren Katalogen nunmehr ein eigenes Nummerierungssystem (im Folgenden Philotax-Nummern im Gegensatz zu Michel-Nummern).
Die Katalog-Programme der Beklagten enthalten eine Funktion, die es dem Benutzer ermöglicht, in einem mit „Sammler-Nr.” bezeichneten Bildschirmfenster jeder Philotax-Nummer beliebige Informationen im Umfang von bis zu 12 Stellen (Letzteres Vortrag der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat) zuzuordnen; sie bewerben diese Funktion im Internet mit dem Hinweis: „Sammler-Nummer: Eingabealt...