Entscheidungsstichwort (Thema)
Geld verdienen auf Rezept
Leitsatz (amtlich)
1. Verspricht eine Apotheke für jedes zuzahlungsfreie Generikum, das auf Kassenrezept eingereicht wird, einen Bonus von 2,50 EUR, so ist das geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen, und deshalb gem. § 4 Nr. 1 UWG unlauter.
2. Verspricht eine Apotheke für jede Medikamentenbestellung eine Gratiszugabe im Wert von 9,30 EUR, so ist das als Angebot einer unzulässigen Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 HWG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG unlauter.
Normenkette
UWG § 4 Nrn. 1, 11; HWG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 13.09.2006; Aktenzeichen 1 HK O 14070/06) |
Tenor
I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG München I vom 13.9.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Antragstellerin betreibt eine Apotheke in München. Die Antragsgegnerin ist eine niederländische Kapitalgesellschaft; sie betreibt eine Versandapotheke und unterhält eine Niederlassung in Deutschland.
Die Antragsgegnerin warb mit einem Werbezettel, der u.a. folgenden Text enthielt:
Neu bei [der Antragsgegnerin]:
Geld verdienen auf Rezept - mit zuzahlungsfreien Generika
Liebe Kundin, lieber Kunde, im Rahmen eines neuen Arzneimittel-Gesetzes entfällt seit dem 1.7.2006 für viele rezeptpflichtige Generika die gesetzliche Zuzahlung. Somit erhalten Sie diese Medikamente in jeder Apotheke kostenlos. [Die Antragsgegnerin] bietet Ihnen mehr!
Für jedes zuzahlungsfreie Generikum, das Sie auf Kassenrezept einreichen, schreiben wir Ihnen einen Sonder-Bonus von 2,50 EUR auf Ihrem persönlichen Treuekonto gut. Sobald Sie 30 EUR angesammelt haben, überweisen wir den Betrag auf Ihr Bankkonto. Sie sparen also nicht nur bei der Zuzahlung, sondern verdienen zudem auf Rezept bares Geld.
Außerdem lobte sie in einem anderen Werbezettel für jede Medikamentenbestellung bei ihr als Gratiszugabe das Kosmetikum V. im Wert von 9,30 EUR (unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers) aus.
Das LG hat deswegen antragsgemäß am 8.8.2006 im Beschlussweg eine einstweilige Verfügung folgenden Inhalts erlassen:
Der Antragsgegnerin wird bei Meidung [der gesetzlichen Ordnungsmittel] verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Kunden für den Bezug eines zuzahlungsfreien Generikums auf Kassenrezept die Gutschrift eines Sonderbonus von 2,50 EUR auf einem Treuekonto anzubieten und/oder zu gewähren, insbesondere wenn dies unter der Überschrift Geld verdienen auf Rezept - mit zuzahlungsfreien Generika wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
[es folgt die Wiedergabe des ersten Werbezettels]
und/oder
für eine Medikamentenbestellung als Dankeschön eine Gratiszugabe, deren unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers 9,30 EUR oder mehr beträgt, auszuloben, insbesondere wie nachfolgend wiedergegeben:
[es folgt die Wiedergabe des zweiten Werbezettels]
Auf Widerspruch der Antragsgegnerin hat das LG die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 13.9.2006 bestätigt. Auf die tatsächlichen Feststellungen in diesem Urteil wird ergänzend Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Sie beantragt, das landgerichtliche Urteil und die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 22.3.2007 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Das Anbieten oder Gewähren eines Sonder-Bonus von 2,50 EUR für den Bezug eines zuzahlungsfreien Generikums auf Kassenrezept ist gem. § 3, § 8 Abs. 1 UWG als unlautere Wettbewerbshandlung zu unterlassen.
a) Zu Recht hat das LG darin einen Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG gesehen.
aa) Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Ein derartiger Einfluss liegt vor, wenn er in einer Anlockwirkung besteht, die so groß ist, dass bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. BGH v. 22.9.2005 - I ZR 28/03, BGHReport 2006, 107 m. Anm. Wehlau = MDR 2006, 222 = GRUR 2006, 161 - Zeitschrift mit Sonnenbrille Tz. 15, 17; vgl. auch BGH GRUR 2006, 511 - Umsatzsteuererstattungs-Modell Tz. 21; jeweils m.w.N.). Dabei genügt es, dass die Einflussnahme dazu geeignet ist, also eine gewisse objektive Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Entscheidungsfreiheit in dieser Weise beeinträchtigt wird (vgl. Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 4 UWG Rz. 1.8 m.w.N.).
bb) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
(1) Zutreffend hat das LG darauf abgestellt, dass im Streitfall nicht nur - wie sonst bei ...