Leitsatz (amtlich)

Die Bewertung, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig oder nichtig ist, richtet sich nach den Auffassungen zum Zeitpunkt seines Erlasses.

Dass der zuständige Verwaltungsgerichtshof im selben Zeitraum in ständiger Rechtsprechung landesrechtlich die Ausweisung eines Hochwasserschutzgebietes in Form eines Verwaltungsakts für möglich gehalten hat, stellt ein starkes Indiz gegen die Offenkundigkeit des Fehlers dar, der darin liegt, dass statt einer Verordnung ein Verwaltungsakt ergangen ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 06.04.2005; Aktenzeichen 9 O 3146/04)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Mü. I vom 6.4.2005 - 9 O 3146/04, wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist für die Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren mit ihrer am 19.2.2004 beim LG Mü. I eingegangenen Klage die Feststellung, dass ihnen gegen die Beklagten ein Entschädigungsanspruch nach § 19 Abs. 3 WHG aufgrund von in der Wasserschutzgebietsverordnung des Landratsamts M. vom 29.9.2000 enthaltenen Verboten zusteht.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Flur Nr. 1820/1 Gemarkung V. Das Grundstück ist mit einem Haus bebaut, das die Kläger mit ihrer Familie bewohnen. Die Baugenehmigung des Landratsamts M. stammt vom 31.8.1998.

Das klägerische Grundstück liegt am östlichen Rand des zur Gemeinde V. zählenden Ortsteils Mi. und wird von der Bahnhofstraße über einen Privatweg erschlossen.

Dieses Gebiet liegt im Einzugsbereich der seit 1883 bestehenden Trinkwassergewinnungsanlage "M.-quellen". Das hier gewonnene Trinkwasser deckt rund 30 % des Trinkwasserbedarfs der Stadt Mü. ab. Zusammen mit den beiden anderen nahe gelegenen Quellfassungen (Gotzinger Hangquellfassung und Reisacher Fassung) wird aus diesem Gebiet ca. 80 % des täglichen Mü. Wasserbedarfs gedeckt.

Um die Wasserversorgung sicherzustellen, beantragte die Landeshauptstadt Mü. in den sechziger Jahren die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets und den Erlass von Schutzanordnungen. Am 17.3.1964 erließ das Landratsamt M. einen u.a. das klägerische Grundstück betreffenden Bescheid, wonach im Gemeindegebiet von V. zum Schutze der M.-quellenfassung ein Wasserschutzgebiet festgesetzt wurde. Wegen der im Bescheid enthaltenen Regelungen wird auf Anlage B 2 verwiesen.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Verwaltungsakt vom 17.3.1964 allgemeine Verbote und Beschränkungen i.S.v. Art. 35 Abs. 2 BayWG in der damaligen Fassung enthält. Art. 35 BayWG lautete im Jahr 1964:

  • Mit der Festsetzung des Wasserschutzgebietes sind die Schutzanordnungen zu erlassen. Es können Zonen mit unterschiedlichen Schutzanordnungen festgelegt werden.
  • Werden allgemeine Verbote und Beschränkungen i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes erforderlich, so sind sie durch Verordnung der Kreisverwaltungsbehörde zu erlassen. Der Bereich, für den sie gelten, ist in der Verordnung anzugeben.

In einem Urt. v. 15.3.1968 entschied das BVerwG, dass Wasserschutzgebiete nur durch Rechtsverordnung festgesetzt werden könnten.

Der Bescheid vom 17.3.1964 legte u.a. Baubeschränkungen fest und ließ Ausnahmen davon zu, wenn der Schutz des Wassers gegen Verunreinigungen gewährleistet war.

Eine derartige Ausnahmeregelung enthielt die den Klägern am 31.8.1998 vom Landratsamt M. erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung des Wohnhauses und die Garage (vgl. insb. Nr. 1.b. des Bescheides unter Hinweis auf den Festsetzungsbescheid des Landratsamtes M. vom 17.3.1964 für das Wasserschutzgebiet M.). Die Baugenehmigung enthielt darüber hinaus u.a. die Auflage, die in dem beigefügten Schreiben des Landesamts für Wasserwirtschaft vom 20.5.1998 enthaltenen Forderungen zu erfüllen.

Am 29.9.2000 erließ das Landratsamt M. die Verordnung für das Wasserschutzgebiet "M. er Hangquellen." (Anlage K 2). Die Wasserschutzgebietsverordnung wurde im Amtsblatt für den Landkreis M. Nr. 20 vom 11.10.2000 öffentlich bekannt gemacht und trat am 12.10.2000 in Kraft. Die Verordnung bezieht das klägerische Grundstück in ihren Geltungsbereich ein und belegt es mit den für die engere Schutzzone II geltenden Verboten gem. § 3 Abs. 1 der Verordnung.

Die Kläger stellten gemeinsam mit zahlreichen weiteren Betroffenen am 10.10.2001 einen am 11.10.2001 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Antrag auf Normenkontrolle gem. § 47 VwGO gegen die Verordnung Der Normenkontrollantrag wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Urt. v. 26.6.2002 abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wies das BVerwG mit Beschl. v. 15.4.2003 zurück.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, eine Feststellungsklage sei zulässig. Die Frage der Entschädigungspflicht der Beklagten stelle ei...

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