Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsunfall - Nutzungsausfallentschädigung und ersatzfähige An- und Abmeldekosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt nach einem Verkehrsunfall der Geschädigte den (mutmaßlichen) Fahrer und den Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeugs in einer Klage auf Schadensersatz in Anspruch und gelingt es ihm nicht, die Fahrereigenschaft der als Fahrer in Anspruch genommenen Person zu beweisen, so schließt dies einen Erfolg der Klage in Bezug auf den Haftpflichtversicherer unter dem Gesichtspunkt der Halterhaftung nicht aus.

2. Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für ein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Fahrzeug scheidet aus, wenn der Geschädigte ein Zweitfahrzeug hätte nutzen können. Hinsichtlich der fehlenden Möglichkeit, ein Zweitfahrzeug zu nutzen, trifft den Geschädigte eine sekundäre Darlegungslast; kommt er ihr nach, trifft den Schädiger die Beweislast dafür, dass die Möglichkeit, ein Zweitfahrzeug zu nutzen, doch bestand.

3. An- und Abmeldekosten nach einem Verkehrsunfall können nicht pauschal abgerechnet werden. Etwaige im Zusammenhang mit der An- bzw. Abmeldung entstandene Fahrtkosten sind Bestandteil der allgemeinen Unfallnebenkosten-Pauschale und können nicht zusätzlich zu dieser verlangt werden.

4. Der Geschädigte kann im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Schadensersatzprozess gehalten sein, ein umfassendes Vorerkrankungsverzeichnis vorzulegen.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1; BGB § 249; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 27.01.2017; Aktenzeichen 2 O 4788/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers vom 27.01.2017 wird das Endurteil des LG München II vom 14.10.2016, Az.: 2 O 4788/12, abgeändert und wie folgt neugefasst:

1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 934,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 54% und die Beklagte zu 2) 46%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 2) 46%. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1). Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger 35%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2) richtet, zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 54% und die Beklagte zu 2) 46%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers bzgl. des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 2) 46%. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bzgl. des Berufungsverfahrens. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) bzgl. des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 35%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten bzgl. des Berufungsverfahrens jeweils selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Mit Beschluss des Senats vom 10.07.2017 (Bl. 222/225 d.A.) wurden die Berufungen des Klägers vom 27.01.2017 sowie der Widerklägerin vom 27.01.2017 jeweils gem. § 522 II 1 ZPO zurückgewiesen, die Berufung des Klägers allerdings nur soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1) richtet.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2) richtet, nur teilweise Erfolg.

I. Das Landgericht hätte die Klage gegen die Beklagte zu 2) nicht vollständig abweisen dürfen. Der Kläger hat nämlich gegen die Beklagte zu 2) Anspruch auf Zahlung von 934,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2012.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) Anspruch auf Zahlung von 934,20 EUR aus § 115 I VVG i.V.m. § 7 I StVG.

a) Dem Grunde nach haftet die Beklagte zu 2) gem. § 115 I VVG i.V.m. § 7 I StVG zu 100% bzgl. des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls. Zwar ist es, wie bereits mit Beschluss des Senats vom 25.04.2017 (Bl. 204/212 d.A.) ausgeführt (vgl. S. 6/7 des Beschlusses = Bl. 209/210 d.A.), nicht zu beanstanden, dass sich das Erstgericht nicht davon überzeugt hat, dass die Beklagte zu 1) die Führerin des Beklagten-Pkws war. Dies ist jedoch im Verhältnis zur Beklagten zu 2), der Haftpflichtversicherung des gem. § 7 I StVG haftenden Fahrzeughalters, nicht relevant. Ebenso wenig ist es, wie ebenfalls mit dem o.g. Beschluss dargelegt (vgl. S. 4/6 des Beschlusses = Bl.207/209 d.A.), zu beanstanden, dass sich das Erstgericht nicht davon überzeugt hat, dass der streitgegenständliche Unfall mit dem Kläger abgesprochen war, wobei die Bekl...

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