Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung. Rechtsfolgen der alleinigen Wohnungszuweisung an einen Ehegatten bei Grundstücksveräußerung
Leitsatz (redaktionell)
Auf die Zuweisung einer Ehewohnung (hier: Hausgrundstück) an einen Ehegatten nach Trennung der Ehegatten, aber vor Ausspruch der Scheidung, ist bei Veräußerung des Hausgrundstücks durch den anderen Ehegatten § 571 BGB dann nicht analog anwendbar, wenn mit der Zuweisung nicht gemäß §§ 5 Abs. 2 S. 1, 18 a HausrVO ein Mietverhältnis begründet wurde.
Normenkette
BGB § 571; HausrVO § 5 Abs. 2 S. 1; HausrVO § 18a
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 23.08.2000; Aktenzeichen 6 O 8831/00) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I, 6. Zivilkammer, vom 23.08.2000 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, das von ihr und ihren minderjährigen Kindern genutzte Einfamilienhaus mit Garten, … in … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für …, Band …, Blatt …, als 724/1224 Miteigentumsanteil am Flurstück Nr. … verbunden mit dem Sondereigentum an Haus … gemäß Aufteilungsplan, zu räumen und an Herrn …, herauszugeben.
III. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 15. August 2001 gewährt.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Streithelfers.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 32.000,– abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Der Wert der Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,–.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Räumung eines Grundstücks mit Einfamilienhaus und – nunmehr – die Herausgabe an einen Dritten.
Das streitgegenständliche Anwesen war die Ehewohnung der Beklagten und ihres von ihr jetzt getrennt lebenden Ehemannes und stand in dessen Alleineigentum.
Mit Beschluß vom 14.05.1997 (Anlage B 7) wies das Amtsgericht München im Wege der einstweiligen Anordnung das Anwesen der Beklagten vorläufig zur alleinigen Nutzung zu.
Mit notariellem Vertrag vom 20.08.1999 veräußerte der Ehemann der Beklagten das Grundstück an die Klägerin, die am 26.01.2000 als neue Eigentümerin eingetragen wurde.
Im notariellen Kaufvertrag (Anlage B 11) verpflichtete sich der Ehemann der Beklagten, die Räumung bis spätestens 30.11.1999 herbeizuführen. Für den Fall, daß der Verkäufer die „Bewohnerfreiheit” nicht bis zum 31.12.1999 herbeigeführt haben sollte, wurde der Klägerin ein Rücktrittsrecht bis zum 31.03.2000 eingeräumt. Der Kaufpreis von DM 650.000,– sollte u. a. erst nach vollständiger Räumung zur Zahlung fällig sein.
Am 14.12.1999 schlossen die Parteien eine Vereinbarung (Anlage K 2), in der u. a. eine Räumung und Herausgabe des Anwesens durch die Beklagte bis spätestens 30.03.2000 festgelegt wurde. Die Beklagte sollte von dem Kaufpreis, der dem Ehemann der Beklagten gebührte, einen Teilbetrag von DM 50.000,– erhalten, der zurückzuzahlen war, wenn die Räumung nicht fristgerecht durchgeführt sein sollte.
Die Vereinbarung wurde unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung des Ehemanns der Beklagten geschlossen. Dieser stimmte am 20.12.1999 zu. Der Betrag von DM 50.000,– wurde an die Beklagte noch im Dezember 1999 überwiesen.
Am 23.12.1999 veräußerte die Klägerin das Grundstück an Herrn …, der am 18.07.2000 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.
Das Anwesen wurde von der Beklagten nicht geräumt und herausgegeben. Eine Rückzahlung des Betrages von DM 50.000,– an die Klägerin erfolgte nicht.
Am 20.05.2000 wurde die Vereinbarung vom 14.12.1999 von der Beklagten wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise wegen Irrtums, angefochten.
Mit Schreiben vom 24.07.2000 kündigte die Klägerin vorsorglich das Nutzungsverhältnis gemäß § 554 BGB analog wegen rückständiger Nutzungsentschädigungen für mindestens vier Monate.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei sowohl aufgrund der Vereinbarung vom 14.12.1999 als auch wegen eines fehlenden Rechts zum Besitz zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks verpflichtet. Ein Anfechtungsrecht bestehe ebensowenig wie ein Zurückbehaltungsrecht.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, das von ihr und ihren minderjährigen Kindern genutzte Einfamilienhaus mit Garten, … in …, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für …, Band … Blatt …, als 724/1224 Miteigentumsanteil am Flurstück Nr. …, verbunden mit dem Sondereigentum an Haus … gemäß Aufteilungsplan zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Einrede des nichterfüllten Vertrages erhoben, da sie von der Klägerin keine Zahlung erhalten habe, sondern nur von ihrem Ehemann.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Vereinbarung vom 14.12.1999 enthalte keinen eigenständigen Räumungsanspruch und sei auch wegen Irrtums wirksam angefochten worden. Ein gesetzlicher Herausgabeanspruch bestehe ebenfalls nicht, da ihr Ehemann bei Abschluß des Ka...