Entscheidungsstichwort (Thema)
Spürbarkeit bei nicht vorgesehener Textilkennzeichnung als "Cotton" und "Acrylic"
Leitsatz (amtlich)
1. "Insbesondere"-Zusätze zu einem abstrakt formulierten Klageantrag erläutern und verdeutlichen das Charakteristische der Verletzung, sind aber in der Regel nicht geeignet, einem unbestimmten Klageantrag die nötige Bestimmtheit zu verleihen.
2. Die Verwendung der Bezeichnung "Acrylic" für die Faserbezeichnung einer Jogginghose stellt einen spürbaren Verstoß gegen die TextilKennzVO dar, während bei der Verwendung der Bezeichnung "Cotton" eine spürbare Interessenbeeinträchtigung im Sinne von § 3a UWG zu verneinen ist.
Normenkette
TextilKennzVO Art. 5 Abs. 1, Art. 15 Abs. 3, Art. 16 Abs. 1, 3; UWG § 3a
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 16.06.2016; Aktenzeichen 17 HK O 1614/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 16.06.2016, Az.: 17 HK O 1614/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte verurteilt wird, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu vollziehen an einem Mitglied des Vorstands der S.Handel AG, gemäß § 890 ZPO zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Verbrauchern Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, bereitzustellen, wenn hierbei nicht die in diesen Bekleidungsgegenständen jeweils enthaltenen Textilfaser(n) anhand der Textilfaserbezeichnungen benannt werden, welche in der deutschen Fassung des Anhangs I. zur Textilkennzeichnungsverordnung (EU) Nr. 1007/2011 vom 27. September 2011 (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18.10.2011 - L 272/1 unter Berücksichtigung der Berichtigung, die im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 120/16 vom 05.05.2016 veröffentlicht wurde) aufgezählt werden, wenn dies geschieht wie folgt:
(Ablichtungen Bl. 82, 83 d. A.)
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die nicht festsetzbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 522,20 (netto) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.02.2016 zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Revision wird hinsichtlich Ziff.
III. zugelassen, soweit die Klageabweisung sich auf den Klageantrag zu Ziff. II. bezieht.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung nach Ziffer 1.
I. (Unterlassung) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- EUR und nach Ziffer 1.
II. (Abmahnkostenerstattung) sowie wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klagepartei macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten wegen behaupteter Verletzung der Textiltextilkennzeichnungsvorschriften geltend.
Die Beklagte hatte über die Verkaufsplattform Amazon im Januar 2016 an einen Verbraucher Hosen verkauft und ausgeliefert, wobei auf der Verpackung bzw. deren Etiketten u. a. die Faserbezeichnungen "52% Cotton" sowie "8% Acrylic" angegeben waren (vgl. Anlagen SNP 2, SNP 3). Hierauf mahnte die Klagepartei, eine große deutsche Bekleidungsherstellerin, die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 22.01.2016 (Anlage SNP 4) ab, worauf seitens der Beklagten keine Reaktion erfolgte.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 16.06.2016, Az. 17 HKO 1614/16 (Blatt 38/45 der Akte), in den dort zuletzt gestellten Anträgen vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Verbrauchern Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, bereitzustellen, wenn die in diesen Hosen jeweils enthaltenen Textilfasern nicht leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar durch Etiketten oder eine Kennzeichnung anhand der in der deutschen Fassung des Anhangs I. zur Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführten Textilfaserbezeichnungen gekennzeichnet werden.
Weiterhin hat das Landgericht der Klägerin die geltend gemachte Abmahnkostenerstattung in Höhe von 1.044,40 EUR (netto) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 08.02.2016 zugesprochen.
Zur Begründung wird im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug g...