Leitsatz (amtlich)
Eine zwingende gesetzliche Regelung, nach der der Ausgleich von Verlustvorträgen der Wiederauffüllung des Genussrechtskapitals in jedem Fall vorrangig wäre, besteht nicht.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 31.07.2014; Aktenzeichen 5 HK O 24890/12) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 31.7.2014 - 5 HK O 24890/12, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des LG München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesen Urteilen vollstreckbaren Betrages, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus Genussscheinen.
Die W. H. bank AG gab im April 2002 Genussscheine aus. Die Genussrechte lauteten auf den Inhaber und waren in 50.000 untereinander gleichberechtigte Genussrechte im Nennbetrag von je EUR 1.000 eingeteilt. Die Genussscheinbedingungen (Anlage K 2) enthielten u.a. folgende Bestimmungen:
"§ 2
(1) Die Genussrechtsinhaber erhalten eine dem Gewinnanteil der Aktionäre der W. H. bank AG vorgehende jährliche Ausschüttung i.H.v. 7 % des Nennbetrags der Genussrechte.
(2) Die Ausschüttungen auf die Genussrechte sind dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. Kann aufgrund dieser Begrenzung die zugesagte Ausschüttung ganz oder teilweise nicht erfüllt werden, so ist der fehlende Betrag in den folgenden Geschäftsjahren nachzuzahlen, wobei zunächst die Rückstände und zwar die älteren zuerst, sodann die letztfälligen Ausschüttungsansprüche zu bedienen sind. Diese Nachzahlungspflicht besteht nur während der Laufzeit der Genussrechte.
...
(4) Die Ausschüttung auf die Genussrechte für das abgelaufene Geschäftsjahr ist jeweils nachträglich am 2.7. des folgenden Jahres fällig ...
...
§ 5
Der Bestand der Genussrechte wird vorbehaltlich § 7 weder durch Verschmelzung oder Umwandlung der W. H. bank AG noch durch eine Veränderung ihres Grundkapitals berührt.
§ 6
(1) Die Laufzeit der Genussrechte ist bis zum 31.12.2012 befristet. Vorbehaltlich der Bestimmungen über die Teilnahme am Verlust werden die Genussrechte zum Nennbetrag zurückgezahlt. Der zurückzuzahlende Betrag ist am 2.7.2013 fällig, § 2 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend, wobei auch in diesem Fall die Verzinsung mit Ablauf des 2.7.2013 endet. Der zurückzuzahlende Betrag wird vom Ende der Laufzeit der Genussrechte (31.12.2012) bis zum 2.7.2013 entsprechend dem Ausschüttungsanspruch für das Geschäftsjahr 2012 verzinst.
...
§ 7
(1) Weist die W. H. bank AG einen Bilanzverlust aus oder wird ihr Grundkapital zur Deckung von Verlusten herabgesetzt, so vermindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussrechtsinhabers. Bei einem Bilanzverlust vermindert sich der Rückzahlungsanspruch in demselben Verhältnis, in dem das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital (einschließlich Genussrechtskapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten) durch die Tilgung des Bilanzverlusts gemindert wird ... Verlustvorträge aus Vorjahren bleiben hierbei außer Betracht.
(2) Werden nach einer Teilnahme der Genussrechtsinhaber am Verlust in den folgenden Geschäftsjahren Gewinne erzielt, so sind aus diesen - nach der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederauffüllung der gesetzlichen Rücklage - die Rückzahlungsansprüche bis zum Nennbetrag der Genussrechte zu erhöhen, bevor eine anderweitige Gewinnverwendung vorgenommen wird. Diese Verpflichtung besteht nur während der Laufzeit der Genussrechte. Reicht der Gewinn zur Wiederauffüllung dieser und bereits begebener Genussrechte nicht aus, so wird die Wiederauffüllung des Kapitals dieser Genussrechte anteilig im Verhältnis seines jeweiligen Gesamtnennbetrages zum jeweiligen Gesamtnennbetrag früher begebener Genussscheine vorgenommen. Die gilt entsprechend auch für künftig zu begebende Genussrechte, sofern deren Bedingungen einen entsprechenden Wiederauffüllungsanspruch vorsehen ..."
Ergänzend wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.
Die W. H. bank AG firmierte im Jahr 2006 in H. R. E. Bank I. AG um und wurde mit Handelsregistereintragung vom 27.11.2008 rückwirkend zum 1.1.2008 auf die damals noch unter H. R. E. Bank AG firmierende Beklagte verschmolzen.
Die Beklagte erwirtschaftete im Jahr 2008 einen Jahresfehlbetrag von 2.823.574.000,- Euro. Im Jahr 2009 betrug der Jahresfehlbetrag - ohne Verlustvortrag - 1.660.119.680,- Euro, im Jahr 2010 117.527.159,- Euro. Im Geschäftsjahr 2011 erzielte die Beklagte wieder einen Jahresüberschuss von 142.782.000,- Euro, wobei allerdings ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr von 3.589.164.000,- Euro bestand. Die gesetzliche Rücklage betrug mehr als 10 % des satzungsmäßigen Grundkapitals der Beklagten.
Der durch das Finanzmarktstabilierungsfondgesetz errichtete Finanzmarktstabilisierungsfonds (im Folgenden ...