Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung weiter gehender ärztlicher Behandlungs- und Fahrtkosten
Normenkette
ZPO § 313a Abs. 1 S. 1, § 540; BGB § 253; JVEG § 5 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 04.08.2016; Aktenzeichen 7 O 3674/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten vom 04.08.2016 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 18.07.2016 (Az. 7 O 3674/14) in Nr. I. bis III. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 614,95 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.10.2014 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.
I. Das LG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung weiter gehender ärztlicher Behandlungskosten und Fahrtkosten bejaht. Hingegen besteht kein Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld und daher auch nicht auf Ersatz von wegen dessen vorgerichtlicher Geltendmachung entstandenen Rechtsanwaltskosten.
1. Die Sachverständige Dr. med. Karin B., von deren hervorragender Sachkunde sich der Senat an Hand einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte, hat in ihrem Gutachten ausgeführt, dass die den geltend gemachten Kosten zugrunde liegenden Behandlungen ihre Ursache in der sich verschlechternden unfallursächlichen Kniegelenksarthrose haben und medizinisch indiziert waren (schriftliches Gutachten S. 21). Danach ergibt sich ein Anspruch in Höhe von insgesamt 509,90 EUR (Anlagen K 5 und K 9). Die Entfernungsstrecke (38,2 km) und die Behandlungstage (11) ergeben nach der Aufstellung des Klägers Fahrtkosten in Höhe von 105,05 EUR. Die Höhe der Fahrtkosten bestimmt sich nach § 5 II Nr. 1 JVEG mit 0,25 EUR (BGH NJW 2010, 930 = MDR 2010, 320 = r + s, 2010, 76 = NZV 2010, 192 = DAR 2010, 80; Senat, Hinweis v. 21.09.2006 - 10 U 3932/06; OLG Naumburg NJW 2015, 261 = VersR 2015, 505 (506) = VRS 127 (2014) 18; LG Konstanz NJW-RR 2013, 399), nicht nach § 9 I 2 EStG (Senat, Hinweis- und Auflagenverfügung v. 10.08.2006 - 10 U 2853/06; Hinweis v. 21.09.2006 - 10 U 3932/06). Aus der vorliegenden Bescheinigung des Arbeitgebers (Anl. K 9) lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass dem Kläger selbst ein Verdienstausfall für 2 ¼ Stunden entstand. Insgesamt beläuft sich der ersatzfähige materielle Schaden auf 614,95 EUR zuzüglich Zinsen wie tenoriert. Insoweit war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
2. Ein Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld über das vorprozessual und aufgrund des Vergleichs vom 09.08.2006 im Verfahren 1 O 1919/05 vor dem LG Traunstein hinaus gezahlte (insgesamt 45.000 EUR) besteht nicht.
a) Nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH in NJW-RR 2006, 712 (vgl. auch Senat, Urt. v. 15.03.2013, Az. 10 U 4171/12 [Juris]) gelten für ein weiteres Schmerzensgeldverlangen nach einem ein Schmerzensgeld zusprechenden Urteil folgende Grundsätze, die auch dann anzuwenden sind, wenn sich die Parteien, wie vorliegend, über ein Schmerzensgeld in einem Vergleich geeinigt haben:
"Verlangt ein Kläger für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden durch den zuerkannten Betrag alle diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Senat, Urteile vom 11.6.1963 - VI ZR 135/62 - VersR 1963, 1048, 1049; vom 8.7.1980 - VI ZR 72/79 - VersR 1980, 975 f.; vom 24.5.1988 - VI ZR 326/87 - VersR 1988, 929 f.; vom 7.2.1995 - VI ZR 201/94 - VersR 1995, 471, 472; vom 20.3.2001 - VI ZR 325/99 - VersR 2001, 876; vom 20.1.2004 - VI ZR 70/03 - VersR 2004, 1334, 1335; BGH, Urteil vom 4.12.1975 - III ZR 41/74 - VersR 1976, 440, 441; vgl. auch Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 253 Rdn. 50; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 322 Rdn. 161; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 322 Rdn. 13; Diederichsen, VersR 2005, 433, 439; von Gerlach, VersR 2000, 525, 530; Heß, ZfS 2001, 532, 534; kritisch MünchKommZPO/Gottwald, 2. Aufl., § 322 Rdn. 126). Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet es, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Anspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (Senat, Urteile vom 6.12.1960 - VI ZR 73/60 - VersR 1961, 164 f.; vom 20.3.2001 - VI ZR 325/99 - a.a.O.; vom 20.1.2004 - ...