Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft über die Schaffung eines genehmigten Kapitals zu entscheiden, können auch Fragen zur Abwicklung kurze Zeit vorher durchgeführter Kapitalerhöhungen gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sein.
2. Der Beschluss über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats nach § 120 AktG ist noch nicht deshalb anfechtbar, weil der Aufsichtsrat in seinem Bericht nach § 171 Abs. 2 AktG nicht über Verträge informiert hat, die zwischen der Gesellschaft und einer Rechtsanwaltskanzlei, welcher ein Mitglied des Aufsichtsrats angehört, geschlossen wurden.
3. Einer auf die unzureichenden Beantwortung von Fragen nach einer möglichen Befangenheit des Abschlussprüferkandidaten gestützten Anfechtung des Beschlusses über die Wahl des Abschlussprüfers steht § 243 Abs. 3 Nr. 2 AktG entgegen, der einen strikten Vorrang des Verfahrens nach § 318 Abs. 3 HGB bestimmt.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 16.08.2007; Aktenzeichen 5 HKO 17682/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 16.8.2007 dahin abgeändert, dass die Klagen, soweit diese auf die Nichtigerklärung der Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.8.2006 zu TOP 3 und TOP 4 gerichtet sind, abgewiesen werden. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Berufungen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) werden zurückgewiesen.
III. Kosten der ersten Instanz: Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1), der Kläger zu 2) und der Streithelfer der Kläger zu gleichen Teilen 59 %, der Kläger zu 2) und sein Streithelfer zu gleichen Teilen weitere 7 % sowie die Beklagte und deren Streithelfer zu gleichen Teilen 34 %. Die Beklagte und deren Streithelfer tragen jeweils zu gleichen Teilen 37 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) und 34 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) und des Streithelfers der Kläger. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten und deren Streithelfer tragen die Klägerin zu 1) 20 % sowie der Kläger zu 2) und der Streithelfer der Kläger jeweils 23 %.
Kosten des Berufungsverfahrens: Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) zu gleichen Teilen 59 %, der Kläger zu 2) allein weitere 7 % sowie die Beklagte und deren Streithelfer zu gleichen Teilen 34 %. Die Beklagte und deren Streithelfer tragen jeweils zu gleichen Teilen 37 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) und 34 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2). Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten und deren Streithelfer tragen die Klägerin zu 1) 29 % und der Kläger zu 2) 37 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Seiten können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.8.2006. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des LG vom 16.8.2007 wird Bezug genommen.
Das LG hat die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten zu den Tagesordnungspunkten 2, 3, 4 und 5 für nichtig erklärt. Die von der Klägerin zu 1) als Hauptantrag und vom Kläger zu 2) als Hilfsantrag erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 7 und zum Geschäftsordnungsantrag (Abwahl des Versammlungsleiters) wies das LG ab. Als ebenfalls unbegründet erachtete das LG die Anfechtungsklagen beider Kläger gegen die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7 sowie zum Geschäftsordnungsantrag. Erfolglos blieb schließlich auch der Antrag des Klägers zu 2) auf Feststellung, dass bei TOP 4 kein Beschluss mit dem protokollierten Inhalt gefasst worden sei.
Ein Nichtigkeitsgrund gem. § 241 AktG war nach Ansicht des LG nicht gegeben. Insbesondere sei die Hauptversammlung gem. § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG durch einen ordnungsgemäß besetzten Vorstand wirksam einberufen worden. Dass der Vorstand nur aus einer Person bestanden habe, stehe dem nicht entgegen. Die Satzung der Beklagten lasse es nämlich zu, dass der Aufsichtsrat die Zahl der Mitglieder des Vorstands bestimme, wobei dieser nach § 6 Satz 1 der Satzung der Beklagten aus einer oder mehreren Personen bestehe. Der zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam gem. § 104 AktG vom AG München bestellte Aufsichtsrat habe am 1.9.2005 einen derartigen Beschluss gefasst. Ebenso wenig lasse sich die Nichtigkeit der Beschlüsse mit der Person des Versammlungsleiters begründen; selbst wenn diese die Versammlung nicht hätte leiten dürfen, sei daraus nicht gem. § 241 Nr. 2 AktG die Nichtigkeit abzuleiten.
Begründet seien aber die von den anfechtungsbefugten Klägern fristgerecht erhobenen Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 2, 3, ...