Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in einem Kfz-Händler-Vertrag, die eine Kündigung aus wichtigem Grund bei Insolvenzantragstellung des Vertragshändlers vorsieht, stellt keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 9 AGBG a.F. dar.
2. Die außerordentliche Kündigung ist auch einen Monat vor Ablauf der zweijährigen ordentlichen Kündigungsfrist nicht ausgeschlossen.
3. Der Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs nach § 89b Abs. 3 Ziff. 2 HGB setzt ein schuldhaftes Verhalten ggü. dem Unternehmer voraus, der hierfür beweispflichtig ist. Für den Unternehmer kommen Beweiserleichterungen in Betracht. Der Umstand der Insolvenz des Vertragshändlers begründet allein nicht den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs.
4. Die Gewährung eines Ausgleichs an einen Vertragshändler entspricht nicht der Billigkeit gem. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB, wenn der Vertragshändler nach Beendigung des Vertragshändlervertrages seine Kundenkartei an einen Dritten veräußert.
Normenkette
HGB § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 3; HGB § 89bAbs. 3 Ziff. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen 16 HKO 20600/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I v. 9.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin I.B., Inhaberin der Firma B's Automobile Welt (im Folgenden Insolvenzschuldnerin genannt), gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche aus Vertragshändlerverträgen geltend.
Die Firma B's Automobile Welt war seit ca. 25 Jahren Vertragshändlerin der Beklagten, zuletzt aufgrund von zwei Vertragshändlerverträgen v. 1.10.1996 betreffend den Betrieb in Ho. (Händlervertrag Nr. 307, Anlage K 1) und die Niederlassung in Wo. (Händlervertrag Nr. 1551, Anlage K 3).
Gemäß den Ziff. 9.1 bis 9.4 dieser Verträge war die Insolvenzschuldnerin zu umfassender Berichterstattung an die Beklagte einschließlich der Vorlage der Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnungen, sowie der Teilnahme am Händlerbetriebsvergleich der Beklagten unter Anwendung des B-AG Kontenplanes verpflichtet.
Mit Schreiben v. 24.11.1998 kündigte die Beklagte den Händlervertrag 307 ordentlich mit Wirkung zum 30.11.2000 (Anlage K 4); mit Schreiben v. 3.12.1998 kündigte sie den Händlervertrag Nr. 1551 ordentlich zum 31.12.2000 (Anlage K 5).
Die Insolvenzschuldnerin stellte am 30.10.2000 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Durch Beschluss des AG K. - Insolvenzgericht - v. 30.11.2000 (Az.: 660 IN 124/00, Anlage K 1) wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit zwei Schreiben v. 31.10.2000 (Anlagen B 1 und B 2) kündigte die Beklagte im Hinblick auf den von der Insolvenzschuldnerin gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beide Händlerverträge fristlos mit sofortiger Wirkung unter Hinweis auf die Ziff. 11. 4a dieser Verträge.
Der Kläger hat vor dem 10.1.2001 die Kundenkartei der Firma B's Automobile Welt auf den Ehemann der Insolvenzschuldnerin zum Preis von 80.000 DM übertragen und den hierfür fälligen Kaufpreis mit den für die Monate November und Dezember 2000 seitens Herrn B's bestehenden Mietforderungen verrechnet (S. 5 des Berichts des Klägers im Insolvenzverfahren des AG K., Az.: 660 IN 124/2000, Anlage B 25). Dies wurde von der Beklagten erstmals im Berufungsverfahren mit Schriftsatz v. 7.7.2004 vorgetragen, nachdem sie hiervon durch die ihr erstmals im Sommer 2004 gewährte Einsicht in die Insolvenzakten Kenntnis erlangt hat.
Mit Schreiben v. 5.3.2001 machte der Kläger als Insolvenzverwalter gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche in analoger Anwendung des § 89b HGB geltend, die er nunmehr mit der Klage weiterverfolgt.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte könne sich nicht auf die ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen im Hinblick auf das Insolvenzverfahren berufen, da es der Beklagten zumutbar gewesen sei, die kurze Frist von 1 Monat bzw. 2 Monaten bis zum Vertragsablauf abzuwarten. Zudem habe die Beklagte ihrerseits den Eintritt des Vermögensverfalls bei der Insolvenzschuldnerin mit verursacht. So habe die Insolvenzschuldnerin im Werkstattbereich eine separate Halle mit drei Lackierkabinen errichtet, um hochwertige Unfallfahrzeuge zu reparieren, da die Beklagte ihr entsprechende Aufträge in Aussicht gestellt habe. Diese seien dann an andere Firmen vergeben worden. Die Beklagte habe der Insolvenzschuldnerin in den Monaten vor der Insolvenz keine Kommissionswagen mehr zur Verfügung gestellt. Die Konditionen im Neuwagengeschäft hätten sich zusehens verschle...