Leitsatz (amtlich)
1. Cash-Pool-Management und Kapitalerhaltungsgrundsatz bei abhängiger GmbH.
2. Ein Finanzierungs- und Liquiditätsausgleich zwischen verbundenen Unternemen (Cash-Pool-Management) unter Einbeziehung gebundenen Vermögens verstößt jedenfalls dann gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, wenn die Erhaltung des Stammkapitals nicht hinreichend abgesichert ist.
Normenkette
GmbHG § 30 Abs. 1, § 43 Abs. 3
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 27.04.2005; Aktenzeichen 25 O 9684/04) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 27.4.2005 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird der Beklagte in Änderung der Ziff. 1 S. 2 des angefochtenen Urteils verurteilt, über den ausgeurteilten Betrag hinaus an den Kläger Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Hauptsachebetrag seit 1.4.2004 zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
IV. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH, die zu einem weit verzweigten Firmenverbund gehörte. Die Konzernspitze ist in den USA ansässig. Der Beklagte war am 5.4.2000 zum Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bestellt worden. Zugleich war er Angestellter der amerikanischen Muttergesellschaft.
In der Zeit vom 8.12.2000 bis 1.6.2001 veranlasste der Beklagte als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Zahlungen i.H.v. insgesamt 1.100.000 US-Dollar an amerikanische Schwesterfirmen, davon 600.000 US-Dollar im Dezember 2000. Anlass für die Überweisungen waren entsprechende Zahlungsaufforderungen seitens der nach Darstellung des Beklagten für die Finanzen im Konzern zuständigen Schwesterfirma der Gemeinschuldnerin in Irland.
Mit undatiertem Telefax vom 16.3.2001 teilte die Konzernspitze mit, dass den internationalen Untergesellschaften ausreichende Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt würden. Sie seien Partei der globalen Cash-Management-Vereinbarung der Gruppe. Dies erfordere, dass die internationalen Untergesellschaften gemeinsam überschüssige Barguthaben überweisen.
Der Kläger verlangt Erstattung der geleisteten Zahlungen und macht geltend, der Beklagte sei dazu gem. § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG verpflichtet, weil die Gemeinschuldnerin ausweislich der Bilanzen zum 31.12.1998 und 31.12.1999 - insb. wegen hoher Verbindlichkeiten ggü. verbundenen Unternehmen - überschuldet gewesen sei. Außerdem stellten die Zahlungen verbotene Auszahlungen i.S.d. § 30 GmbHG dar, die den Beklagten gem. § 43 Abs. 3 GmbHG zum Schadensersatz verpflichteten.
Der Beklagte bestreitet eine Überschuldung der Gemeinschuldnerin in der fraglichen Zeit. Insbesondere sei im Zuge des Wechsels in der Konzernspitze zum 18.10.2000 vereinbart worden, dass sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten der verbundenen Unternehmen untereinander aufgehoben werden. Die davon betroffenen Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin seien deshalb in der Bilanz zum 31.12.2000 nicht mehr enthalten gewesen. Bei dieser Bilanz sei weiter zu berücksichtigen, dass in den dort aufgeführten Verbindlichkeiten ggü. verbundenen Unternehmen ein Betrag von 1.684000 DM enthalten sei, hinsichtlich dessen die Schwestergesellschaft in Irland als Gläubigerin mit der Gemeinschuldnerin am 31.12.2000 einen Rangrücktritt vereinbart gehabt hätten, so dass sich für das Jahr 2000 kein Fehlbetrag mehr, sondern ein Überschuss i.H.v. 810.740 DM ergebe.
Auch ein Verstoß gegen § 30 GmbHG liege nicht vor. Auf Leistungen im Rahmen eines Cash-Pool-Managements sei diese Vorschrift nicht anwendbar. Auch die Entscheidung des BGH mit Urt. v. 24.11.2003 (BGH, Urt. v. 24.11.2003 - II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 = BGHReport 2004, 532 m. Anm. Börner = GmbHR 2004, 302 m. Anm. Bähr/Hoos = MDR 2004, 341 m. Anm. Lux) sei hierauf nicht übertragbar.
Jedenfalls könne dem Beklagten kein Schuldvorwurf gemacht werden, da vor dem BGH-Urt. v. 24.11.2003 die Beurteilung vorgeherrscht habe, dass es keinen Verstoß gegen § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG oder §§ 30, 43 GmbHG darstelle, wenn Leistungen erbracht werden, die einen vollwertigen, sofort fälligen Rückzahlungsanspruch begründen, wie dies im vorliegenden Fall gewesen sei. Der Beklagte habe auch nicht ahnen können, dass tatsächlich entgegen den gegebenen Zusagen keine Rückzahlungen erfolgen würden.
Mit Endurteil vom 27.4.2005 hat das LG München I dem Kläger den von ihm geltend gemachten Hauptsachebetrag von 1.223.777,35 EUR zugesprochen Zug um Zug gegen Abtretung der etwaigen Ersatz- oder Ausgleichsansprüche der Gemeinschuldnerin gegen die amerikanischen Empfänger der Zahlungen. Wegen der verlangten Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1...