Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 93 Abs. 1 Satz 2, § 116 Satz 1 AktG lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, ein vom Aufsichtsrat auf unzureichender Informationsgrundlage gefasster Beschluss sei in jedem Fall nichtig, auch wenn der gefasste Beschluss inhaltlich nicht zu beanstanden ist.
2. Der Abschluss eines Beratervertrags ist keine Geschäftsführungsmaßnahme, für die ausschließlich der Vorstand zuständig ist, wenn in dem Beratervertrag die Zahlung eines Pauschalhonorars durch die Aktiengesellschaft vereinbart wird, mit dem auch die Vergütung eines Vorstandsmitglieds abgegolten werden soll.
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 18.08.2016; Aktenzeichen 1 HK O 1441/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München II vom 18.08.2016, Az. 1 HK O 1441/16, insoweit abgeändert, als der Tenor Ziff. 1 aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen wird.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Aufsichtsratsbeschlüssen. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die als einzigen Gesellschaftszweck die K von Mittenwald auf die westliche K nebst Nebenanlagen betreibt. Der Kläger ist zweiter Bürgermeister der Gemeinde Mittenwald und Aufsichtsratsmitglied. Der Aufsichtsrat besteht aus sechs Mitgliedern, Aufsichtsratsvorsitzender ist W E. R senior. Nach § 10 Abs. 3 der Satzung (Anlage K 2) fasst der Aufsichtsrat seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen. Am 11.12.2012 wurde W R (jun.), der Sohn des Aufsichtsratsvorsitzenden, zum Vorstand der Beklagten bestellt. Weiteres Vorstandsmitglied war bis 31.10.2015 Frau S M Herr W R (jun.) wurde vom LG Stuttgart wegen unrichtiger Darstellung, falscher Angaben und verbotener Marktmanipulation verurteilt. Die Verurteilung ist seit 27.05.2014 rechtskräftig. Herr R (jun.) lud mit Schreiben vom 02.02.2016 (Anlage K 10) "im Auftrag des Aufsichtsratsvorsitzenden" zu einer Aufsichtsratssitzung am 23.02.2016 ein, bei der u.a. über den "Abschluss eines Beratervertrags/Vorstandsvertrags mit Herrn R und Herrn K" beschlossen werden sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 10 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 15.02.2016 versandte Herr W R (jun.) den Entwurf eines Umlaufbeschlusses, mit dem Frau A befristet bis 31.10.2016 zum Vorstand der Beklagten bestellt werden sollte (Anlage K 11). DerBeschluss kam im Umlaufverfahren nicht zustande. In der Aufsichtsratssitzung am 23.02.2016, an der alle sechs Aufsichtsräte sowie Herr W R (jun.) teilnahmen, stimmten die Aufsichtsräte über die Bestellung von Frau A K als Vorstand der Beklagten und den Abschluss eines Vertrags zwischen der Beklagten und der K AG, die 46,2 % der Aktien an der Beklagten hält, ab. Es stimmten jeweils drei Aufsichtsratsmitglieder, einschließlich des Vorsitzenden, für die Beschlussanträge, drei Aufsichtratsmitglieder, u.a. der Kläger, dagegen. Ein Protokoll der Aufsichtsratssitzung wurde nicht gefertigt. Der Kläger ist der Ansicht, die gefassten Beschlüsse seien nichtig. Ihm seien keine ausreichenden Informationen über die Qualifikationen von Frau K und den Inhalt des Beratervertrags mit der K AG zur Verfügung gestellt worden. Frau K sei als Vorstand der Beklagten nicht hinreichend qualifiziert. Bezüglich des Beratervertrags sei schon nicht ausreichend klar, wie sich die pauschale Vergütung für welche Tätigkeiten konkret aufteile.
Der Kläger hat daher in erster Instanz beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der in der Sitzung des Aufsichtrates der Beklagten am 23.02.2016 gefasste Beschluss zur Bestellung von Frau A K zum Vorstand der Beklagten für den Zeitraum vom 23.02.2016 bis zum 31.10.2016 nichtig ist.
2. Es wird weiterhin festgestellt, dass der in der Sitzung des Aufsichtsrates der Beklagten am 23.02.2016 gefasste Beschluss zum Abschluss eines Beratervertrags/Vorstandsvertrages zwischen der Beklagten und der Konsortium AG nichtig ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, vor Beschlussfassung sei erläutert worden, welche Leistungen die Konsortium AG im Rahmen des Beratervertrages zu erbringen habe. Mit dem Pauschalhonorar von 180.000,00 Euro jährlich sollten alle Kosten für die Büro- und Beratungstätigkeiten einschließlich der Tätigkeit von Frau K als Vorstand abgedeckt werden. Die Qualifikation von Frau K insbesondere als Juristin sei in der Aufsichtsratssitzung im einzelnen dargestellt worden. Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat die Nichtigkeit beider Beschlüsse festgestellt. Es bestünden bereits erhebliche Zweifel, ob die Einberufung der Aufsichtsratssitzung vom 23.02.2016 gesetzes- und satzungskonform gewesen sei. Allerdings könne dahins...