Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 11.01.2008; Aktenzeichen 27 O 9941/07) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 11. Januar 2008, AZ. 27 O 9941/07, wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Darstellung bedarf es nicht, denn der Wert der Beschwerde der Beklagten übersteigt 20.000 EUR nicht (s. § 26 Nr. 8 EGZPO). Nach herrschender Meinung ist § 313 a ZPO, auf den § 540 Abs. 2 ZPO ausdrücklich verweist, auch auf Berufungsurteile anwendbar, s. a. Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, Rnr. 2 zu §313 a und Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, Rnr. 2 zu § 313a.
II.
1.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Landgericht erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen des mit notarieller Urkunde vom 06.11.1995 übergebenen Grundbesitzes einen Anspruch auf Ergänzung des der Klägerin zustehenden Pflichtteils hat. Gemäß § 2314 BGB ist die Beklagte auskunftspflichtig über den Wert der Nachlassgegenstände, der ggf. durch einen Sachverständigen zu ermitteln ist.
Die Schenkung des Grundbesitzes bleibt nicht wegen § 2325 Abs. 3 BGB unberücksichtigt, denn seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes sind nicht mehr als 10 Jahre verstrichen:
a)
Ausgangspunkt der Anwendung des § 2325 Abs. 3 BGB und insbesondere zu der Frage, wann die Schenkung vollzogen ist, ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.1994, Az. IV ZR 132/93, NJW 1994, 1791, die, soweit ersichtlich, Grundlage der inzwischen herrschenden Meinung geworden ist. In dieser Entscheidung führt der BGH u.a. aus: "... Deshalb gilt eine Schenkung nicht als i. S. von § 2325 Abs. 3 Halbs. 1 BGB geleistet, wenn der Erblasser den "Genuss" des verschenkten Gegenstands nach der Schenkung nicht auch tatsächlich entbehren muss.
Der "Genuss" eines Hausgrundstücks besteht zwar auch in seinem wirtschaftlichen Wert, wie er für die Zwecke des § 2325 II 2 BGB errechnet und aufgeteilt werden kann. Es wäre aber nicht nur vom Tatsächlichen her verfehlt, ein Hausgrundstück allein unter dem Gesichtspunkt seines in Geld bemessenen Tauschwertes zu sehen. Auch rechtlich gehört zum Eigentum neben der Möglichkeit, es zu veräußern (oder seine Veräußerung zu verbieten), die Befugnis, es zu nutzen, (anderen die Nutzung einzuräumen oder zu verwehren)."
Um das Ziel des Gesetzgebers zu erreichen, mit § 2325 Abs. 3, 1. Hs. nur solche Vermögensstücke aus der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs herauszunehmen, ist demnach also im jeweils konkreten Fall darauf abzustellen, ob der Erblasser den "Genuss" dieser Vermögensstücke schon zehn Jahre vor dem Erbfall entbehrt hat.
Nach der Meinung des BGH im Urteil vom 27.04.1994 ist der "Genuss" des verschenkten Gegenstands dann nicht aufgegeben worden, wenn bei der Schenkung der Nießbrauch uneingeschränkt vorbehalten wurde. Diese grundsätzlichen Auswirkungen des BGH zum Nießbrauchsrecht gelten auch für andere Nutzungsrechte, beispielsweise auch dann, wenn sich der Erblasser - wie hier - ein Wohnrecht einräumen lässt oder Schenker und Beschenkter eine schuldrechtliche Nutzungsvereinbarungen getroffen haben. In all diesen Fällen ist für die Frage, wann die Schenkung vollzogen ist, darauf abzustellen, ob der Genuss des verschenkten Gegenstandes aufgegeben worden ist oder nicht (so auch die herrschende Kommentarliteratur, vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., § 2325, Rnr. 22, und Lange in MüKo, 4. Aufl., § 2325 Rnr. 38 jeweils m.w.N.).
b)
Anerkannt ist, dass eine Leistung in diesem Sinne bei einer Grundstücksschenkung frühestens mit der Umschreibung im Grundbuch in Betracht kommt (s. BGH, Urteil vom 02.12.1987, Az. IVa ZR 149/86, NJW 1988, 821). Auf diesen Zeitpunkt kann jedoch im vorliegenden Fall nicht abgestellt werden, denn die Erblasserin hat den Gegenstand am 18.12.1995 nicht wirklich an den Beschenkten verloren. Vielmehr kann hier unter Würdigung des Inhalts der Vertragsurkunde und der tatsächlichen Umstände vom "Vollzug" der Schenkung erst mit dem Tod der Erblasserin am 18.10.2006 ausgegangen werden:
Ausweislich § 3 des Übergabevertrages vom 06.11.1995 wurde dem Veräußerer (der Erblasserin) auf Lebensdauer ein Wohnungsrecht am gesamten Haus eingeräumt, mit Ausnahme der Souterrainwohnung, die von dem Erwerber (der Beklagten) bewohnt wurde. Außerdem war sie ohne Einschränkungen berechtigt, alle zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Anlagen und Einrichtungen mitzubenutzen. Sie war berechtigt, ihre Familie und die zur Pflege und Bedienung erforderlichen Personen aufzunehmen; die Beklagte war verpflichtet, die Räume im vertragsgemäßen Zustand zu überlassen und zu erhalten...