Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 6 SpruchG: Unabhängigkeit des gemeinsamen Vertreters im Spruchstellenverfahren
Leitsatz (amtlich)
I. Die Verfahrensbeendigung eines Spruchverfahrens durch den Insolvenzverwalter der zahlungspflichtigen Gesellschaft durch Abschluss eines Vergleichs, welcher eine Anmeldefrist der außenstehenden Aktionäre von einem Monat nach öffentlicher Bekanntmachung vorsieht, ist nicht pflichtwidrig.
II. Der gemeinsame Vertreter im Spruchverfahren ist unabhängig, mithin nicht an die Weisungen der außenstehenden Aktionäre gebunden und ihnen gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Es besteht gegenüber Großaktionären keine besondere Vermögensbetreuungspflicht.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 26.11.2009; Aktenzeichen 5 HKO 6027/09) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München I vom 26.11.2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um das Bestehen von Ansprüchen im Zusammenhang mit einem ein Spruchverfahren beendenden Vergleich.
Am 31.5.2000 stimmte die Hauptversammlung der H. + Wo. Bau-AG, an der die Klägerin mit 9.136.800 Stammaktien oder 75,2 % der Stammaktien beteiligt war, einem notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag vom 19.4.2000 mit der Wa. Bau AG als übernehmender Gesellschaft zu. Die Hauptversammlung der Wa. Bau AG, an der die Klägerin mit 56,9 % beteiligt war, stimmte dem Verschmelzungsvertrag am 5.7.2000 zu. Die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister erfolgte am 29.8.2000.
Mehrere Aktionäre hielten das festgelegte Umtauschverhältnis für nicht angemessen und die gewährte bare Zuzahlung für zu niedrig, weshalb sie ein Spruchverfahren mit dem Ziel der Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs durch eine erhöhte bare Zuzahlung einleiteten. Das Spruchverfahren, in dem der Beklagte zu 2) zum gemeinsamen Vertreter der nicht als Antragsteller beteiligten Aktionäre bestellt worden war, wurde beim LG München I unter dem Aktenzeichen 5 HKO 16628/00 geführt.
Mit Beschluss des AG -Insolvenzgericht - Augsburg vom 1.4.2005 wurde über das Vermögen der Wa. Bau AG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt.
Das LG München I protokollierte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.12.2008 in dem Spruchverfahren einen Vergleich (Anlage K2), der u.a. folgende Regelung enthielt:
"Die Antragsteller appellieren an die Großaktionäre der H. + Wo. Bau-AG, die insbesondere auch für die Festlegung der Verschmelzungswertrelation mit verantwortlich waren, von den durch den Vergleich begründeten Rechten keinen Gebrauch zu machen ...
Vergleich:
I.1. Der Antragsgegner begründet eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dergestalt, dass eine bare Zuzahlung für die ehemaligen Aktionäre der H. + Wo. Bau-AG von insgesamt 250.000 EUR geleistet wird. Davon entfällt auf die ehemaligen Aktionäre mit Inhaberstammaktien ein Betrag von 200.000 EUR, auf die ehemaligen Aktionäre mit Inhaber-Vorzugsaktien ein Betrag von 50.000 EUR.
2. Voraussetzung für eine Auszahlung an einen ehemaligen Aktionär der H. + Wo. Bau-AG ist eine schriftliche Geltendmachung seines Anspruchs auf bare Zuzahlung ggü. dem Antragsgegner, wobei die Übermittlung per Telefax ausreichend ist. Der Geltendma-chung ist eine Bankbestätigung (ausgenommen von den Antragstellern) beizufügen, dass der Anspruchsteller zum Zeitpunkt des Beschlusses der Hauptversammlung der H. + Wo. Bau-AG am 31.5.2000 bereits Aktionär dieser Gesellschaft war. Die Geltendmachung hat innerhalb einer Frist von einem Monat nach der letzten Veröffentlichung eines der unter Ziffer VI. genannten Publikationsorgane bzw. dem ersten Tag der Veröffentlichung im Internet entsprechend dieser Ziffer zu erfolgen; maßgebend ist also der Zeitpunkt der letzten Veröffentlichung. Anträge, die nach dieser Frist eingehen, werden nicht mehr berücksichtigt.
3. Die Verteilung der unter Ziff. I.1. genannten Beträge wird wie folgt geregelt:
a) Wenn keiner der Großaktionäre (Wa. Holding AG, B. LB) dem Appell der Aktionäre aus der Präambel nachkommt, erfolgt sie anteilig im Verhältnis der Anzahl der Aktien eines jeden Aktionärs innerhalb der Aktiengattung zu der Gesamtzahl aller Aktien der jeweiligen Aktiengattungen. Ein verbleibender Restbetrag, der nicht ausbezahlt wird, weil nicht alle Aktionäre ihre Ansprüche innerhalb der Frist angemeldet haben, fließt in diesem Fall zur Hälfte an die Masse zurück. Die anderen Hälfte wird zum Ausgleich weiterer entstandener Kosten und Auslagen anteilig nach Köpfen auf die Antragsteller und den Gemeinsamen Vertreter der nicht als Antragsteller am Verfahren beteiligten Aktionäre verteilt.
b) Wenn einer der...