Entscheidungsstichwort (Thema)

„100 % Strom aus Wasserkraft”

 

Leitsatz (amtlich)

Die sachlich unrichtige Werbeaussage „A. liefert Ihnen zu 100 % Strom aus Wasserkraft” ist irreführend i.S.v. § 3 UWG, weil ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher die objektiv falsche Angabe wörtlich nimmt. Die Aussage ist auch wettbewerblich relevant, weil diese Verbraucher aufgrund der Irreführung annehmen, sie könnten einen unmittelbaren Beitrag zum Umweltschutz leisten, und deshalb geneigt sind, sich mit dem Angebot befassen.

 

Normenkette

UWG § 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 21 O 5402/00)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 12.06.2002; Aktenzeichen IV ZR 232/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 15.11.2000 – 21 O 5402/00 – aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft, zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit folgenden Behauptungen zu werben:

a) Wir garantieren Ihnen mit Brief und Siegel: AQUAPOWER liefert Ihnen zu 100 % Strom aus Wasserkraft – bestätigt und beglaubigt vom international anerkannten TÜV.

b) Die im Rahmen der Verträge gelieferte Arbeit (kWh) kommt ausschließlich aus Wasserkraft (Laufwasserkraftwerke, Speicherkraftwerke mit natürlichem Zufluss oder i.V.m. Strom aus erneuerbaren Energien).

III. Die Kosten des ersten Rechtszugs trägt die Beklagte; die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Verband zur Förderung der wirtschaftlichen und fachlichen Interessen der Wasserkraftwerksbetreiber in Süddeutschland, begehrt von der Beklagten, einem der größten Stromversorger in Deutschland, Unterlassung von Werbeaussagen.

Die Beklagte wirbt bei Endverbrauchern mit ihrer Broschüre „AQUAPOWER – Strom, der nicht die (Um-)Welt kostet” für von Konzerngesellschaften regenerativ erzeugten Strom. In dieser Broschüre (Anlage K 1, B 1) ist auf S. 4 unter der Überschrift „Qualität mit Auszeichnung – Wasserkraft von Bayernwerk!” ausgeführt:

„Eines steht fest, Stromgewinnung aus Wasserkraft ist ein wichtiger Beitrag zur Umweltschonung. Deshalb setzt Bayernwerk konsequent auf diese Energiequelle. Zur Zeit produziert Bayernwerk in 113 Laufwasser-, 3 Pumpspeicherwasserkraftwerken und 1 Speicherkraftwerk. Wir garantieren daher mit Brief und Siegel: AQUAPOWER liefert Ihnen zu 100 % Strom aus Wasserkraft – bestätigt und beglaubigt vom international anerkannten TÜV.”

Auf S. 6 heißt es unter der Überschrift Zertifikat – TÜV-Kriterien für die Verleihung des Zertifikates sind u.a.:

„Die im Rahmen der Verträge gelieferte Arbeit (kWh) kommt ausschließlich aus Wasserkraft (Laufwasserkraftwerke, Speicherkraftwerke mit natürlichem Zufluss oder i.V.m. Strom aus erneuerbaren Energien).”

Die Klägerin nahm die im Klageantrag wiedergegebenen Passagen dieser Aussagen zum Anlass, die Beklagte – erfolglos – abzumahnen. Die Klägerin brachte vor, mit den angegriffenen Werbeaussagen spiegle die Beklagte den potentiellen Kunden vor, sie könnten nunmehr ökologisch sauberen Strom geliefert erhalten, wenn sie mit ihr einen Liefervertrag abschlössen. Den ökologisch verantwortungsbewusst denkenden Kunden werde durch die objektiv unrichtigen, weil praktisch nicht realisierbaren Versprechungen suggeriert, sie würden durch den Strombezug bei der Beklagten einen Beitrag zur Umweltentlastung leisten. Tatsächlich werde der von der Beklagten verkaufte Strom, wie bislang auch, vom Betreiber des örtlichen Netzes, von dem der jeweilige Kunde seinen Strom beziehe, geliefert. In diesem örtlichen Netz befinde sich der Mix aus Kohle-, Atom- und auch Wasserkraftstrom. Dieser Strommix, der beispielsweise in Baden-Württemberg zu 65 % aus Atomstrom bestehe, könne von der Beklagten weder beeinflusst noch verändert werden. Einspeisungen aus regenerativen Energiequellen, die die Beklagte an irgendeiner anderen Stelle des länderübergreifenden Netzes für sich reklamiere, könnten nicht zum Kunden durchgeleitet werden, vielmehr gingen diese unauffindbar im Verbundnetz in die Masse des Stromes aus Kohle und Kernkraft ein. Hieran ändere der Abschluss eines Liefer- und Bezugsvertrags mit der Beklagten nichts. Es werde lediglich der gleiche Strom wie bisher unter einer anderen Bezeichnung zu einem anderen Tarif an den Endverbraucher verkauft. Der beim Kunden erweckte Eindruck, er werde aufgrund des Vertragsabschlusses mit der Beklagten sofort anderen, ökologisch sauberen Strom geliefert erhalten, sei deshalb grob irreführend i.S.v. § 3 UWG. Als Verbandsvertretung süddeutscher Wasserkraftbetreiber sei sie gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aktivleg...

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