Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV unzulässiger Nebenleistungen in einem Konzessionsvertrag führt gem. § 134 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags.

 

Normenkette

KAV § 3; EnWG § 46; BGB § 134

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 01.08.2012; Aktenzeichen 37 O 22218/11)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des LG München I vom 1.8.2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des LG sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Übernahme eines Stromversorgungsnetzes.

Die Klägerin ist eine 100%ige Tochter der städtischen Unternehmensgruppe Gemeindewerke Ulm/Neu-Ulm mit Sitz in Ulm. Anteilseigner sind die Städte Ulm und Neu-Ulm. Unternehmensgegenstand ist der Betrieb von Strom- und anderen Energieversorgungsanlagen.

Die Beklagte ist Eigentümerin der Nieder- und Mittelspannungs-Stromverteilungsanlagen im Gebiet der Gemeinde Nersingen. Betrieben wird das Stromnetz von der L.-V.-GmbH, an welche die Beklagte die Anlagen verpachtet hat.

Am 29.1/5.2.1990 schlossen die Gemeinde Nersingen und die Beklagte unter ihrer damaligen Firmierung L.-E. AG einen als Zustimmungsvertrag bezeichneten Stromkonzessionsvertrag für das Gemeindegebiet von Nersingen (Anlage K 3, nachfolgend bezeichnet als Alt-Konzessionsvertrag). Der Alt-Konzessionsvertrag enthält in Ziff. 8. folgende Regelung:

"8.1. Endet die Versorgung durch die [Beklagte], so ist die Gemeinde berechtigt und auf Verlangen der [Beklagten] verpflichtet, alle Anlagen der [Beklagten] zu erwerben, die ausschließlich der Versorgung des Vertragsgebietes dienen und bei rationeller Betriebsführung weiterverwendet werden können. ...

Als Entgelt hat die Gemeinde [der Beklagten] den Sachzeitwert der zu übernehmenden Anlagen zum Zeitpunkt der Übergabe unter zeitanteiliger Berücksichtigung geleisteter Baukostenvorschüsse und voller Berücksichtigung öffentlicher Finanzierungshilfen zu vergüten, soweit nichts anderes vereinbart ist. Als Sachzeitwert gilt der Herstellungswert der Anlagen zum Übernahmezeitpunkt unter Berücksichtigung der bisherigen Nutzungsdauer und des technischen Erhaltungszustands der Anlagen.

8.2 ... Im Übrigen sind die durch den Wechsel in der Versorgungszuständigkeit anfallenden Kosten einvernehmlicher Netzentflechtung und Netzeinbindung von der Gemeinde zu tragen. ..."

Am 30.1.2008 machte die Gemeinde Nersingen im elektronischen Bundesanzeiger bekannt, dass der bestehende Strom-Konzessionsvertrag am 4.2.2010 enden werde. Interessenten wurden gebeten, die schriftlichen Bewerbungen bis 30.4.2008 abzugeben (Anlage K 4). Welche Kriterien sie ihrer Auswahlentscheidung zugrunde zu legen beabsichtigte, teilte die Gemeinde nicht mit. Auch zu einem späteren Zeitpunkt wurden vor der Vergabe Auswahlkriterien nicht mitgeteilt.

Die Gemeinde Nersingen entschied in der nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 17.11.2009, einen neuen Konzessionsvertrag mit der Klägerin zu schließen. Die Entscheidung für die Klägerin wurde am 26.11.2009 im elektronischen Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht (Anlage K 6). Darin heißt es wie folgt:

"Die Entscheidung der Gemeinde beruht auf folgenden Gesichtspunkten:

  • Die [Klägerin] ist ein regionaler Anbieter, die Wertschöpfung bleibt in der Region.
  • Die [Klägerin] ist für die Wartung und Betreuung des Stromnetzes ortsnah mit ihrem Standort in Ulm.
  • Die Stärkung des kommunalen Einflusses auf die örtliche Energieversorgung könnte verbessert werden.
  • Die [Klägerin] engagiert ist in der Förderung des Einsatzes von regenerativen Energien."

Die Entscheidung der Gemeinde für die Klägerin wurde der Beklagten erst mit Schreiben der Gemeinde Nersingen vom 9.2.2010, bei der Beklagten eingegangen am 10.2.2010, mitgeteilt (Anlage K 5).

In der Folge schlossen die Klägerin und die Gemeinde Nersingen am 4./8.2.2010 einen Konzessionsvertrag (Anlage K 7, im Folgenden bezeichnet als Neu-Konzessionsvertrag) mit einer Vertragsdauer von 20 Jahren bis 5.2.2030. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 7 Zusammenarbeit mit der Gemeinde

...

(2) Die [Klägerin] wird die Gemeinde bei der Erstellung von kommunalen Energiekonzepten unterstützen. Sie wird die erforderlichen Daten zur Verfügung stellen. Wenn die Gemeinde die Erstellung eines kommunalen Energiekonzepts beauftragt, ist die Gesellschaft nach Abstimmung bereit, hierfür im Rahmen des konzessionsabgabenrechtlich Zulässigen einen Zuschuss zu gewähren.

(3) Die Eigenerzeugung von Strom durch die Gemeinde wird dort, wo sie ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, von der [Klägerin] unterstützt.

Die [Klägerin] verpflichtet sich, den von der Gemeinde oder von Dritten durch erneuerbare Energieträger erzeugten Strom abzunehmen...

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