Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine sittenwidrige Täuschung des Herstellers im sog. Abgasskandal nach Bekanntwerden des Dieselskandals

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine sittenwidrige Schädigung des Autokäufers scheidet aus, wenn der Erwerb des Fahrzeugs nach Offenlegung der maßgeblichen Aspekte der Manipulation im sog. Dieselskandal durch den Hersteller im Wege einer ad hoc Mitteilung an den Kapitalmarkt und an die Öffentlichkeit gerichteter Pressemitteilung erfolgt.

2. Die Vorschriften der EG-FGV sind keine Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27; StGB § 263; ZPO § 138 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 25.03.2019; Aktenzeichen 43 O 1442/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.03.2019, Az. 43 O 1442/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt aus Deliktsrecht im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgasskandal von der Beklagten primär die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkws.

Der Kläger erwarb am 06.04.2017 von privat einen Audi Q 3, der am 28.04.2014 erstmals zugelassen worden ist, mit einer Laufleistung von 27.000 km, zum Preis von 22.125,00 EUR, vgl. Kaufvertrag, Anlage K 1. Die Beklagte hat das Fahrzeug hergestellt.

Das streitgegenständliche Fahrzeug, das mit einem Motor vom Typ EA 189 ausgestattet ist, ist Gegenstand eines Rückrufs durch das Kraftfahrtbundesamt gewesen, da es eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielt. Im Prüfstand, der mit Hilfe einer Software erkannt wird, wird durch eine erhöhte Rückführung und Verbrennung von Abgasen ein niedrigerer Schadstoffausstoß gemessen als im normalen Fahrbetrieb. Kurz nach dem Erwerb des Fahrzeugs wurde der Kläger über die Betroffenheit seines Fahrzeugs informiert, vgl. Anlage K 5. Das vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte Software-Update ließ der Kläger im Juli 2017 aufspielen.

Bereits am 22.09.2015 hatte die V. AG, die Konzernmutter der Beklagten, eine ad hoc Mitteilung herausgegeben und gab in einer weiteren Pressemitteilung bekannt, dass insgesamt 11 Millionen Dieselfahrzeuge weltweit von der Thematik betroffen seien. Dies war der Anlass für eine in der Folgezeit anhaltende, ausführliche und umfangreiche Medienberichterstattung.

Die Beklagte schaltete am 02.10.2015 eine Internetwebseite, auf der sich Fahrzeughalter mit Hilfe der Fahrzeug-Identifikationsnummer darüber informieren können, ob ihr Fahrzeug von der Manipulation betroffen ist.

Der Kläger trägt vor, dass er erst nach dem Erwerb des Fahrzeugs durch das Anschreiben der Beklagten im April 2017 Kenntnis davon erlangt habe, dass sein Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist. Bei Kenntnis der "Prüfstandoptimierungssoftware" hätte der Kläger das Fahrzeug nicht erworben. Die Beklagte habe ihn vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt und dies auch billigend in Kauf genommen.

Die Beklagte hingegen bestreitet, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der Abgasthematik gewusst hätte und geht davon aus, dass dem Kläger in Anbetracht der zum Kaufzeitpunkt vorhandenen umfangreichen Medienberichterstattung die Betroffenheit seines Fahrzeugs von der Abgasproblematik bekannt war. Dem Kläger stünden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Ansprüche zu.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage nach Anhörung des Klägers abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nicht mehr hätte getäuscht werden können, weil er das streitgegenständliche Fahrzeug mehr als eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals gekauft hat. Die Kammer war nicht davon überzeugt, dass der Kläger beim Erwerb des Fahrzeugs keine Kenntnis von der Dieselthematik gehabt hat.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter verfolgt. Der Kläger betont erneut, dass er erst durch die Aufforderung zur Vornahme eines Updates am Fahrzeug im April 2017 positive Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselabgasskandal erlangt habe. Auf die allgemeine Berichterstattung in den Medien könne nicht abgestellt werden, da ein Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug fehle. Der Kläger habe gar nicht überprüfen können, welcher Motor in seinem Fahrzeug verbaut ist. Die Beklagte hafte dem Kläger sowohl nach § 826 BGB als auch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und i.V.m. § 27 EG-FGV. Im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 18.04.2019, Bl. 104 ff. d.A., Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

I. Das Urteil des Lan...

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