Entscheidungsstichwort (Thema)
Wissenszurechnung im Konzern
Leitsatz (amtlich)
Wird einem Franchisenehmer (hier für Bau- und Gartenmärkte) bei Vertragsabschluss verschwiegen, dass ihm entgegen dem Inhalt des Vertrages ein Teil der mit den Lieferanten vereinbarten Einkaufsvorteile vorenthalten werden soll, berechtigt ihn das dazu, unter Beendigung des Vertragsverhältnisses als Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) Ausgleich eingetretener Verluste zu verlangen.
Der Franchisegeber, der die Einkaufskonditionen nicht selbst aushandelt, sondern dies seiner Muttergesellschaft überlässt, hat sich die entsprechenden Kenntnisse bei der Muttergesellschaft zurechnen zu lassen und handelt dann auch ohne eigenes Wissen von dem geheimen Rückvergütungssystem schuldhaft.
Normenkette
BGB §§ 166, 276
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 04.11.2005; Aktenzeichen 10 O 145/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Teilurteil des LG München I vom 4.11.2005 aufgehoben.
II. Die Ansprüche der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss infolge des Abschlusses der Einzel-Franchise-Verträge mit der Beklagten vom 18.2.1998 für den Bau- und Gartenmarkt B., vom 27.4.1998 für den Bau- und Gartenmarkt W. und vom 27.4.1998 für den Bau- und Gartenmarkt T. sowie der Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 2) gegen die Beklagte wegen Verschuldens bei Vertragsschluss infolge des Abschlusses des Einzel-Franchise-Vertrages vom 21.12.1998 für den Bau- und Gartenmarkt O. werden den Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
III. Zur Entscheidung über die Höhe dieser Schadensersatzansprüche wird der Rechtsstreit an das LG München I zurückverwiesen.
IV. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung des LG München I vorbehalten.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerinnen haben gemäß den im Entscheidungssatz genannten Verträgen auf der Grundlage des über die Beklagte organisierten Franchise-Systems der Muttergesellschaft der Beklagten mehrere Bau- und Gartenmärkte betrieben. Die Verträge waren jeweils auf 20 Jahre abgeschlossen. Mit Schreiben vom 24.7.2000 haben die Klägerinnen die Verträge aus wichtigem Grund gekündigt und die Märkte liquidiert.
Mit ihrer Klage haben die Klägerinnen in erster Linie geltend gemacht, die Beklagte habe ihnen die durch die Einrichtung und den Betrieb der Märkte entstandenen Verluste zu ersetzen. Die Beklagte habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen falsch beraten, unzutreffende Erklärungen abgegeben und verheimlicht, dass nicht alle Einkaufsvorteile der Muttergesellschaft der Beklagten den Franchisenehmern zugute kommen sollten. Wenn ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, wären die streitgegenständlichen Verträge nicht abgeschlossen worden.
Hilfsweise berufen sich die Klägerinnen auf Zahlungsansprüche wegen nach den Verträgen abzuführenden aber noch nicht abgeführten Bonifikationen. Insoweit haben die Klägerinnen - zum Teil in Form der Stufenklage - Hilfsanträge gestellt.
Die Beklagte hat Aufklärungsmängel bestritten. Das geheime Rückvergütungssystem bei der Muttergesellschaft der Beklagten sei bis Herbst 2002 nicht bekannt gewesen. Inzwischen seien die fraglichen Beträge abgerechnet worden. Ferner hat die Beklagte die Schadensberechnung der Klägerinnen beanstandet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstands in erster Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das Teilurteil des LG München I vom 4.11.2005 Bezug genommen.
Mit diesem Urteil hat das LG München I die Klage in den Hauptanträgen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, hinsichtlich eines Teils der Beanstandungen der Klägerinnen hätten diese die Beklagte zur Erfüllung anhalten müssen. Bezüglich der geltend gemachten Aufklärungsfehler hätten die Klägerinnen keine schlüssige Schadensberechnung vorgenommen. Die durch die Vertragsdurchführung entstandenen Verluste seien nicht ersatzfähig, da es sich dabei nicht um einen Vertrauensschaden handle, sondern um Folgen des Festhaltens an den Unternehmungen. Eine Rückerstattung beiderseitiger Leistungen scheide aus.
Eine Entscheidung über die Hilfsanträge habe noch nicht ergehen können.
Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LG München I hat die Beklagte am 1.11.2005 nachträglich abgerechnete Bonifikationen ausbezahlt, an die Klägerin zu 1) 345.344,13 EUR, an die Klägerin zu 2) 86.387,68 EUR. Die von ihr ursprünglich erklärte Aufrechnung gegen vermeintliche Ansprüche auf ausstehende Franchisegebühren hatte sie bereits mit Schriftsatz vom 17.10.2005 fallengelassen.
Die Klägerinnen verfolgen mit ihrer Berufung ihre in erster Instanz geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter Abzug der von der Beklagten zwischenzeitlich geleisteten Zahlungen weiter. Sie rügen, das LG habe wesentliche Tatsachenbehauptungen übergangen und gebotene rechtliche Hinweise unterlassen.
In der Sache bekräftigen sie ihr erstinstanzl...