Leitsatz (amtlich)

1. Der Prospekt über ein Beteiligungsangebot - als die entscheidende Unterrichtungsmöglichkeit für einen Kapitalanleger - hat ein zutreffendes und vollständiges Bild über sämtliche für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände zu vermitteln. Dies gilt auch für Prognosen über Mieten, die in dem Anlageobjekt erzielt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2010 - II ZR 30/09, Rn. 9, DB 2010, 1524)

2. Bei "steuersparenden" Anlagemodellen kommt § 166 Abs. 1 BGB (Zurechnung der Kenntnis eines "Wissensvertreters") im Rahmen des institutionalisierten Zusammenwirkens nicht zu Lasten des Anlegers zur Anwendung.

3. Für das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ist nicht ausreichend, dass eine handelsrechtliche Frist für die Aufbewahrung von Handelsbüchern abgelaufen ist.

 

Verfahrensgang

LG Deggendorf (Entscheidung vom 17.06.2009; Aktenzeichen 2 O 21/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 05.07.2011; Aktenzeichen XI ZR 306/10)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 17. Juni 2009 aufgehoben.

  • II.

    • 1.

      Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 81 489,02 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 12.02.2007 sowie weitere 2 189,40 € zu bezahlen, Zug um Zug gegen Erklärung der Auflassung betreffend einen Miteigentumsanteil von ..., eingetragen im Grundbuch ... verbunden mit dem Sondereigentum ....

    • 2.

      Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.

  • III.

    Von den Kosten beider Rechtszüge trägt die Beklagte 85 %, die Kläger tragen 15 %.

  • IV.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch den Gegner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

  • V.

    Die Revision wird zugelassen.

  • VI.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 95 475,18 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs eines Hotelappartements in der Anlage "Ch. hof" in G..

Aufgrund eines den Klägern seitens der Vertriebsfirma ... GmbH mit Begleitschreiben vom 13.12.1991 (Anlage K 2: "Sichern Sie sich jetzt noch die hohen Steuervorteile aus der Zonenrandsonderabschreibung...") überlassenen Verkaufsprospektes (Anlage K 3) gaben die Kläger am 17.12.1991 ein notarielles Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages ab (Anlage K 7). Die Treuhänderin, die Fa. S. Treuhand GmbH Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in S., wurde hiermit (Anlage II zum Angebot K 7) u.a. beauftragt, das Appartement Nr. 16 im Haus 1 zum Gesamtpreis von 119 000,- DM (einschließlich eines hierin bereits enthaltenen Kaufpreisanteils von 8 000 DM für Möblierung) von dem Verkäufer "... Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH" (K 31) zu erwerben.

In Ziff. I 1 der Anlage I des Treuhandvertrages wird die notarielle "Grundlagenurkunde" vom 10.12.1991 (Anlage K 6) in Bezug genommen, wonach die Treuhänderin "beabsichtigt, mit den künftigen Eigentümern einzelner Wohnungs-/Teileigentumseinheiten an dem Hotel "Ch. hof" in G ... Treuhandverträge abzuschließen".

In Ziffer III der Anlage 1 des Treuhandvertrages ist u.a. bestimmt, dass der Bauträgerkaufvertrag, die Darlehensverträge über die Zwischenfinanzierung, der Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Hotelbetriebsgesellschaft des bürgerlichen Rechts, der Mietvertrag über die Hotelanlage, sowie der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Hotelbetriebsgesellschaft und dem Geschäftsbesorger vom Treuhänder abzuschließen sind. Am 27.12.1991 schloss die Treuhänderin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, den Zeugen S, für die Kläger den notariellen Kaufvertrag über den Miteigentumsanteil ab (Anlage K 31). Zudem schloss die Treuhänderin im Namen der Kläger aufgrund der notariellen Vollmacht aus dem Treuhandvertrag zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Februar 1992 einen Darlehensvertrag (...) mit der Beklagten (Bank) zur Zwischenfinanzierung des streitgegenständlichen Appartementerwerbs. Mit Schreiben vom 19.02.1992 (Anlage B 2) forderte die Beklagte die Kläger auf, ihr Einverständnis mit dem Darlehensvertrag und der Kontoeröffnung durch die Treuhänderin zu bestätigen, was seitens der Kläger durch Unterzeichnung auf dem nämlichen Schriftstück auch erfolgte "Mit o.g. Darlehensvertrag sowie der Kontoeröffnung einverstanden" - es folgen die Unterschriften). Dieses Schreiben schließt wie folgt: "Abschließend möchten wir darauf hinweisen, daß unsere Finanzierungsbereitschaft sich nicht auf die erwartete Wirtschaftlichkeit des Objektes und die angestrebten steuerlichen Auswirkungen stützt, sondern sich überwiegend an Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen orientiert".

Das durch eine Grundschuld in Kaufpreishöhe auf dem zu finanzierenden Appartement besicherte Darlehen in Höhe von - lt. Klageschrift - 112 000,- DM wurde von der Beklagten ausgereicht u...

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