Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 14.03.2016; Aktenzeichen 35 O 10177/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 14.03.2016, Az. 35 O 10177/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist auf 4.835,19 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der von der Beklagten gekündigte Bausparvertrag Nr. 1984243/004 über den 27.10.2014 hinaus fortbesteht.
Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 17.04.1986 einen Bausparvertrag mit der Vertragsnummer 1984243/004 über eine Bausparsumme in Höhe von 40.000,-- DM ab. Der Bausparvertrag war jedenfalls am 31.12.2003 zuteilungsreif. Mit Schreiben vom 27.10.2014 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag unter Bezugnahme auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (Anlage K 3). Die Kündigung erfolgte zum Ablauf des 29.05.2015.
Die dem Vertrag zugrundeliegenden allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) enthielt unter anderem folgende Klausel (§ 9 Abs. 1): "Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt." In § 14 Abs. 1 heißt es: "Verzichtet der Bausparer auf die Zuteilung oder wird die Zuteilung widerrufen (§ 13 Abs. 3), wird der Bausparvertrag als nicht zugeteilt fortgesetzt." § 14 Abs. 2 lautet: "Der Bausparer kann erneut die Zuteilung seines Bausparvertrages beantragen mit der Maßgabe, dass der Vertrag in der dem nächsten Bewertungsstichtag folgenden teilnimmt."
Der Bausparvertrag wies zum 31.12.2014 ein Guthaben in Höhe von 13.091,31 Euro aus. Mit Schreiben vom 1.03.1994 (Anlage K9) wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Bausparsumme zuteilungsreif sei. Die letzte Einzahlung der Klägerin erfolgte vor dem Jahr 2004. Seither erhöhte sich das Guthaben nur noch um die gutgeschriebenen Zinsen und die staatliche Wohnbauprämie.
Die Klägerin hat vorgetragen, die ausgesprochene Kündigung sei schon deshalb unwirksam,
weil die vereinbarte Bausparsumme noch nicht vollständig angespart sei. Der Kündigung stehe die Regelung des § 9 ABB entgegen. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB greife nicht ein, da die Anwendung der Vorschrift auf die Beklagte als Unternehmerin fraglich sei und jedenfalls die Tatbestandsvoraussetzung des vollständigen Empfang des Darlehens durch die Beklagte fehle. Überdies sei der Bausparvertrag eine Vertragsgestaltung eigener Art, welche vom Darlehensvertrag zu unterscheiden sei.
Die Klägerin hat daher erstinstanzlich beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Bausparvertrag zwischen den Parteien mit der Vertragsnummer 1984243/004 durch die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2014 nicht beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.
2. Es wird festgestellt, dass die Anwartschaft der Kläger auf ein Bauspardarlehen aus dem Bausparvertrag zwischen den Parteien mit der Vertragsnummer 1984243/004 weiterhin besteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, das dem Bausparvertrag zwischen den Parteien mit der Vertragsnummer 1984243/004 zugeordnete Guthaben weiter zu verwalten und auch zukünftige Einzahlungen der Klägerin auf dieses Guthaben entgegenzunehmen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten ihrer außerprozessualen anwaltlichen Vertretung in Höhe von 1.789,76 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr habe gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein Kündigungsrecht zugestanden, da der Eintritt der Zuteilungsreife als vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne der Vorschrift zu verstehen sei. Die Vorschrift sei auf alle Darlehensverhältnisse anwendbar.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung berechtigt gewesen. Die Vorschriften der §§ 488 ff. BGB seien auf Bausparverträge anwendbar. Bei einem Bausparvertrag handele es sich um einen einheitlichen Darlehensvertrag, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen sei und bei dem die Parteien mit Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschten. Der Bausparvertrag sei auch bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gelte auch zugunsten eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher sei, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen. Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach dieser Vorschrift ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus den Gesetzesmaterialien. Auch nach der Gesetzessy...