Entscheidungsstichwort (Thema)
Allegro barbaro
Leitsatz (amtlich)
Der Betreiber der Internetplattform YouTube ist weder Täter noch Teilnehmer der Urheberrechtsverletzungen, welche durch die Einstellung von Videoclips mit urheberrechtlich geschützten Musikwerken auf dieser Plattform begangen werden.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 30.06.2015; Aktenzeichen 33 O 9639/14) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 30.6.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt als Verwertungsgesellschaft die Verwertungsrechte von Mu-sikurhebern (Komponisten und Textdichtern) wahr.
Die Beklagte betreibt mit dem Dienst YouTube eine Internetplattform für Videoclips, der in über 60 Ländern angeboten wird und weltweit eine Milliarde einzelner Nutzer im Monat verzeichnet. Täglich werden weltweit insgesamt vier Milliarden Videoclips abgerufen.
Die Beklagte verwendet für Inanspruchnahme ihres Dienstes allgemeine Nutzungsbedingungen (vgl. Anl. K 20) mit unter anderem folgenden Inhalt:
8. Ihre Nutzerübermittlungen
8.1 Als Inhaber eines Nutzerkontos bei YouTube können Sie Videomaterial ("Nutzervideos") und textli-che Anmerkungen ("Nutzerkommentare") (zusammen: "Nutzerübermittlungen") übermitteln. Sie neh-men zur Kenntnis, dass YouTube unabhängig davon, ob solche Nutzerübermittlungen veröffentlicht werden, keine Vertraulichkeit im Hinblick auf irgendwelche Nutzerübermittlungen garantiert.
8.2 Sie behalten sämtliche Eigentumsrechte an Ihren Nutzerübermittlungen. Unbeschadet dessen ist es erforderlich, dass Sie YouTube und anderen Nutzern der Webseite eingeschränkte Nutzungsrechte ein-räumen. Diese sind unter Ziffer 10 dieser Bestimmungen näher beschrieben (Rechte, die Sie einräumen).
[...]
10. Rechte, die Sie einräumen
10.1 Indem Sie Nutzerübermittlungen bei YouTube hochladen oder posten, räumen Sie
A. YouTube eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein (mit dem Recht der Unterlizen-zierung) bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung der Nutzerübermittlung im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Dienste und anderweitig im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Webseite und YouTubes Geschäften, einschließlich, aber ohne Beschränkung auf Werbung für und den Weitervertrieb der ganzen oder von Teilen der Webseite (und auf ihr basierender derivativer Werke) in gleich welchem Medienformat und gleich über welche Verbreitungswege;
B. jedem Nutzer der Webseite eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein bezüglich des Zugangs zu Ihren Nutzerübermittlungen über die Webseite sowie bezüglich der Nutzung, der Repro-duktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung solcher Nutzerübermittlung in dem durch die Funktionalität der Webseite und nach diesen Bestimmungen er-laubten Umfang.
10.2 Die vorstehend von Ihnen eingeräumten Lizenzen an Nutzervideos erlöschen, sobald Sie Ihre Nutzervideos von der Webseite entfernen. [...]
Über die YouTube-eigene Suchfunktion können Nutzer die eingestellten Videoclips problemlos auffinden. Nutzer, die über ein entsprechendes Konto verfügen, können beliebige Videoclips zu einer so genannten Playlist zusammenstellen. YouTube bietet darüber hinaus die Möglichkeit, eine softwarebasiert generierte Auswahl von Videoclips nacheinander abzuspielen oder sich Videoclips empfehlen zu lassen. Wird ein Videoclip aufgerufen, so erscheint er unter dem Logo YouTube und dem vom einstellenden Nutzer festgelegten Titel in einem Rechteck, in dem er abgespielt wird; sämtliche Videoclips werden in einem einheitlichen, von der Beklagten geschaffenen Rahmen präsentiert. Zu jedem Videoclip werden automatisiert Vorschaubilder erstellt. Videoclips können in andere Internetseiten eingebettet werden. Die Beklagte versendet per E-Mail einen wöchentlichen Newsletter mit Informationen über neueste Aktivitäten in abonnierten Kanälen und Empfehlungen für Videoclips.
Ist der einstellende Nutzer damit einverstanden, so verbindet die Beklagte Videoclips in verschiedener Weise mit Werbung, die sich bei Abrufen von Deutschland aus gezielt an deutsche Nutzer richtet, und erzielt damit in ganz erheblichem Umfang Einnahmen ("Monetarisierung"), an denen sie den einstellenden Nutzer grundsätzlich beteiligt.
Die eingestellten Videoclips können mittels einer als Content-ID bezeichneten Software von der Beklagten durch den Vergleich mit R...