Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit verschiedener Maßnahmen bei telefonischer Kundenwerbung im Rahmen eines Energieversorgerwechsels
Leitsatz (amtlich)
1. Eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG ist zu verneinen, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum von ihm nicht zu verantworten ist. Dies kann der Fall sein, wenn er nach dem Inhalt eines geführten Telefongesprächs von einer Auftragserteilung ausgehen durfte.
2. Es liegt eine unlautere Mitbewerberbehinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG vor, wenn bei einem Anbieterwechsel Verträge mit Kunden gekündigt werden, ohne dass eine nach § 312h BGB erforderliche Kündigungsvollmacht in Textform vorliegt.
Normenkette
BGB §§ 126b, 312h; UWG § 4 Nr. 4, § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 20.02.2018; Aktenzeichen 1 KH O 2561/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung beider Parteien wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 20. Februar 2018, Az. 1 HK O 2561/17, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Februar 2018 abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen und Rechnung zu legen, welche der Kunden, die mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen haben, unter Vornahme einer oder mehrerer der unter Ziffer 1 benannten Handlungen angesprochen wurden.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer 1 benannten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.097,45 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2016 zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.042,20 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2017 zu zahlen.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz haben die Parteien jeweils hälftig zu tragen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 31 % zu tragen, die Beklagte hat 69 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung nach Nr. I.1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,-, die Vollstreckung nach Nr. I.2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 3.000,- abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.
Im Übrigen können die Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien, Wettbewerber im Bereich der Energieversorgung, streiten im Anschluss an ein vor dem LG München I unter Az. 1 HK O 2198/16 geführtes einstweiliges Verfügungsverfahren um die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit verschiedener Maßnahmen der Beklagten im Rahmen telefonischer Kundenwerbung.
Mit (am 21. Februar 2018 berichtigtem) Endurteil vom 20. Februar 2018, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht dem Begehren der Klägerin, gerichtet darauf (Anträge in Kursivschrift sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden),
I. die Beklagte zu verurteilen, es ≪bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel ≫ zu unterlassen,
1. im geschäftlichen Verkehr gegenüber Kunden der Klägerin durch eigene Mitarbeiter und/oder beauftragte Personen wahrheitswidrig ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten, man unterbreite ein günstigeres Angebot der Klägerin, und/oder
2. im geschäftlichen Verkehr Kunden der Klägerin Vertragsbestätigungen zuzuschicken, ohne dass von dem Kunden zuvor ein Auftrag erteilt bzw. ein Angebot zum Vertragsschluss unterbreitet wurde, und/oder
3. im geschäftlichen Verkehr Kunden der Klägerin durch eigene Mitarbeiter und/oder beauftragte Personen als Kontaktangabe für Rückfragen eine nicht erreichbare Rufnummer mitzuteilen, und/oder
4.4. im geschäftlichen Verkehr Kunden der Klägerin ohne Vorliegen einer Kündigungsvollmacht bei der Klägerin abzumelden,
hilfsweise: 4. im geschäftlichen Verkehr Kunden der Klägerin ohne Vorliegen einer Kündigungsvollmacht in Textform bei der Klägerin abzumelden;
II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen und Rechnung zu legen, welche der Kunden, die mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen haben, unter Vornahme einer oder mehrerer der unter Ziffer I benannten Handlungen angesprochen wurden;
III. die Bek...