Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit des Squeeze-out bei der HRE
Leitsatz (amtlich)
1. § 12 Abs. 4 FMStBG ist kein verbotenes Einzelfallgesetz, auch wenn die Vorschrift bislang nur einen einzigen Anwendungsfall hat.
2. Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre stellt auch im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 4 FMStBG keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die Absenkung des Aktienquorums auf 90 % für Unternehmen des Finanzsektors, denen zum Zweck der Stabilisierung des Finanzmarkts Stabilisierungsmaßnahmen gewährt worden waren, ist angemessen und verhältnismäßig.
3. Besteht der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft aus zwölf Personen, sind aber nur sechs Mitglieder gewählt, ist der Aufsichtsrat beschlussfähig, wenn die Satzung keine entgegenstehende Regelung enthält und die sechs Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen. Der Vorstand ist nicht verpflichtet, einen Antrag auf gerichtliche Bestellung weiterer Aufsichtsratsmitglieder zu stellen, wenn mit der Wahl der sechs Mitglieder im Wege der Satzungsänderung die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats auf sechs reduziert und der Antrag auf Eintragung ins Handelsregister unverzüglich gestellt, die Satzungsänderung aber noch nicht eingetragen wurde.
4. § 13 FMStBG ermächtigt die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft nicht, den Hauptaktionär im Squeeze-out-Beschluss zu verpflichten, den ausgeschlossenen Minderheitsaktionären ein verbrieftes sowie fungibel und handelbares Rückkaufsrecht für den Fall der Reprivatisierung der Gesellschaft zu gewähren.
5. Nimmt ein Aktionär an der Hauptversammlung teil, kann er sein Rederecht nicht formlos auf einen anderen anwesenden Aktionär übertragen. Nimmt er sein Rederecht nicht wahr, verzichtet er hierauf.
6. § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG in Verbindung mit einer entsprechenden Satzungsregelung ermächtigen den Versammlungsleiter auch, keine weiteren Wortmeldungen mehr zuzulassen, selbst wenn noch nicht alle auf der Rednerliste vorgemerkten Aktionäre zu Wort gekommen sind, wenn die Beendigung der Frage- und Redezeit angesichts der fortgeschrittenen Zeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen ist, um die Funktionsfähigkeit der Hauptversammlung zu erhalten.
7. Der Versammlungsleiter ist nicht verpflichtet, die Wortmeldungen in der Reihenfolge ihrer Eintragungen in die Rednerliste aufzurufen.
8. Bei einem Squeeze-out bezieht sich das Informations- und Fragerecht der Aktionäre nur auf die Voraussetzungen des § 327a Abs. 1 AktG sowie die nach § 327d AktG vorzulegenden Unterlagen. Der Angabe eines besonderen Grundes für das Übertragungsverlangens bedarf es nicht.
9. Auch wenn der das Mittel des Squeeze-out wählende Hauptaktionär der Staat ist und dieser, wenn er sich privatrechtlicher Rechtsformen bedient, nicht der Grundrechtsbindung entziehen darf, führt der Übertragungsbeschluss nicht zu einer Enteignung der Minderheitsaktionäre nach Art. 14 Abs. 3 GG. Der Vermögenswert der Aktie setzt sich in der Barabfindung fort. Dass der Wert der Beteiligung in Zukunft eventuell wieder steigen kann, stellt nur eine von Art. 14 Abs. 1 GG nicht erfasste Chance dar.
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufungen der Kläger zu 12), 20), 24), 25), 27), 34) und 35) sowie des Nebenintervenienten B. gegen das Endurteil des LG München I vom 20.1.2011 - 5 HK O 18800/09, werden zurückgewiesen.
2. Die Kläger zu 12), 20), 24), 25), 27), 34) und 35) sowie der Nebenintervenient B. haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger zu 12), 20), 24), 25), 27), 34) und 35) sowie der Nebenintervenient B. können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger bzw. der Nebenintervenient vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 5.10.2009 gefassten Beschlusses über einen Squeeze-out.
Die Beklagte war zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 5.10.2009 eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Ihr Unternehmensgegenstand lag in der Leitung einer internationalen Unternehmensgruppe, insbesondere im Bereich der Immobilienfinanzierung, immobilienbezogener Bankgeschäfte, des Immobiliengeschäfts sowie aller damit jeweils in Zusammenhang stehender Finanzierungs-, Beratungs-, Vermittlungs- und sonstiger Dienstleistungen aller Art sowie im sonstigen Bankgeschäft; die Gesellschaft konnte auch Beteiligungen an Kreditinstituten, insbesondere Pfandbriefbanken sowie Finanzdienstleistungsinstituten halten. Das operative Bankgeschäft übten mehrere Tochtergesellschaften der Beklagten aus. Die Beklagte, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands zählte, hatte zum 31.12.2008 eine Bilanzsumme von...